Post haftet für Schaden durch verspäteten Brief

Wird eine teurere Versandmethode extra gewählt, um die Zustellung an einem bestimmten Tag sicherzustellen, ist die Post in der Pflicht. Hält sie das zugesicherte Lieferdatum nicht ein, haftet sie für daraus resultierende Schäden, jedenfalls dann, wenn den Absender kein Mitverschulden z.B. durch einen Adressfehler trifft.

Einer ehemaligen Arbeitnehmerin blieb nur noch ein Tag Zeit, um Ansprüche gegen ihre Arbeitgeberin geltend zu machen. Da es sich um eine erhebliche Summe handelte, war Eile und Umsicht geboten.

Urlaubsabgeltungsansprüche kurz vor Fristablauf zu Papier gebracht

Wegen Schwangerschaft und Elternzeit hatte sich Urlaub angesammelt, den sie bis zum Schluss des Arbeitsverhältnisses nicht mehr nehmen konnte. Die Urlaubsabgeltung summierte sich auf rund 20.000 Euro. Diesen Anspruch formulierte die Frau am Freitag, den 29.9.2017 in einem Brief an ihre Arbeitgeberin.

Angebot der Post: Zustellung am nächsten (Sams)Tag für 23,80 Euro

Die Frau entschied sich ihren Brief per „Expresszustellung mit dem Zusatzservice Samstagszustellung“ mit der Deutschen Post zu versenden, die - dem Namen entsprechend, die Zustellung am Samstag versprach. Dafür bezahlte sie 23,80 Euro Porto und wähnte sich auf der sicheren Seite.

Tatsächlich stand der Postbote auch am nächsten Tag mit dem Brief in der Hand vor der Tür der Arbeitgeberin. Nur leider warf er ihn nicht in deren Briefkasten ein. Warum nicht? Weil er unsicher war, ob es der richtige war, so seine Aussage.

Zustellung scheiterte - Postbote traute der Briefkastenbeschriftung nicht

Der Brief war an eine XY-GmbH gerichtet. An dem beschrifteten Briefkasten und der Klingel war die Firma nur mit XY, ohne den GmbH-Zusatz genannt, wie übrigens auch alle anderen Schilder in dem Gebäude, in dem zudem rund um die Uhr ein Pförtner saß. Der Postbote zog ohne zu fragen wieder mit dem Brief ab und meldete den Zustellversuch als „erfolglos“.

Fristversäumnis erspart der Arbeitgeberin die Zahlung der Urlaubsabgeltung

Die Arbeitgeberin, die den Brief erst am 4.10.2017 erhielt, berief sich, wahrscheinlich händereibend, froh und zu Recht auf die versäumte Frist. Die Ex-Mitarbeiterin hatte den Schaden, wollte aber nicht darauf sitzen bleiben, sondern wandte sich an die Deutsche Post AG, die die rechtzeitige Zustellung verpatzt hatte. Diese wies erst mal alle Vorwürfe von sich, erstattete wenigstens das Porto und fand sich dann vor Gericht wieder.

Gerichte bejahen Schadensersatzanspruch zu Lasten der Post

Das LG Bonn bejahte die Haftung der Post und sprach der Klägerin die Schadenssumme zu. Die zweite Instanz endete nun kurz und schmerzhaft für die Post. Diese wurde vom OLG Köln auf ihre fehlenden Erfolgsaussichten hingewiesen, woraufhin sie die Berufung zurücknahm.

Frachtführer haften für Verspätung

Die juristische Begründung für den Schadensersatzanspruch findet sich in §§ 425, 428 HGB. Dort ist die Haftung des Frachtführers und seine Leute u.a. für Verspätungsschäden geregelt → Fracht- und Lagerrecht: Rechtsgrundlagen, Haftungsregeln, wichtige Versicherungen. Das volle Verschulden orteten die entscheidenden Richter übereinstimmend bei der Post.

Wichtigkeit der schnellen Zustellung war offensichtlich

Der Post bzw. dem Postboten wurde durch die Wahl der Versandmethode „Express“ plus „Samstag“ ganz deutlich gemacht, dass die Zustellung an diesem Tag extrem wichtig für die Absenderin war, insbesondere weil sie dafür ein nicht unerheblich höheres Porto gezahlt hatte.

Adressunsicherheit war unbegründet und hätte beseitigt werden können

Die angebliche Adressungenauigkeit ließen die Gerichte nicht als Entschuldigungsgrund gelten. An der Anschrift der ehemaligen Arbeitgeberin der Klägerin war nur diese als Empfängerin vorhanden. Das Klingelschild war genauso bezeichnet, wie auf dem Brief der Klägerin vermerkt. Daneben hingen zwei unbeschriftete Briefkästen. Es hatte aufgrund all dieser Umstände aus Sicht des Zustellers überhaupt keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass eine Adressungenauigkeit vorlag:

  • Zum einen war der Firmenname auf dem Brief und am Briefkasten identisch, wenn auch einmal ohne den GmbH-Zusatz,
  • zum anderen erwartete man von dem Postboten, dass er den Pförtner fragt, wenn er Zweifel hat.

(OLG Köln, Beschluss v. 16.4.2020, 3 U 225/19).

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