Schadensersatzklagen für kartellgeschädigte Unternehmen

Immer neue Kartelle werden von den Kartellbehörden aufgedeckt. Der Schutz vor Missbrauch von Marktmacht durch Absprachen und bessere Fusionskontrolle waren die erklärten Ziele der GWB-Novelle, die Mitte 2017 Kraft trat. Die Schadensersatzansprüche von kartellgeschädigten Unternehmen - wie solchen aus der Lieferkette von Preiskartellen - wurden durch Beweiserleichterungen gestärkt

Die Rechte der Kartellgeschädigten wurden Mitte 2017 deutlich gestärkt. Die Optionen, Schadenersatz zu fordern sind dadurch für die durch Kartellverstöße Geschädigten erheblich vereinfacht und erweitert. Verbraucher und Unternehmer wurden besser gestellt. 

Deutlich verschärftes Schadenersatzrecht

Eine zentrales Element der Gesetzesnovelle ist die erhebliche Ausweitung des Schadenersatzrechtes. Die Geltendmachung von Schadensersatz durch Unternehmen, die durch ein Kartell geschädigt wurden, werden erheblich erleichtert.

Jedes Unternehmen in einer Lieferkette, dass infolge einer Kartellabsprache für Waren oder Dienstleistungen zu viel gezahlt hat, kann in Zukunft Schadenersatz geltend machen.

Gemäß § 33 c GWB wird vermutet, dass der Schaden durch den Kartellgeschädigten in einer Lieferkette auch weitergegeben wurde. Dies kann nach Meinung der Wirtschaftsverbände zu hohen Millionen- oder sogar Milliarden-Forderungen gegen Mitglieder rechtswidriger Kartelle führen.

In den Vereinigten Staaten sind solche Klagen keine Seltenheit und häufig wesentlich belastender als die möglichen Bußgelder, deren Verhängung in Zukunft ebenfalls deutlich ausgedehnt sein wird.

Spürbare Beweiserleichterungen

Die Geltendmachung von Schadensersatz ist auch dadurch leichter möglich, dass ein Zivilgericht an die Feststellung eines Kartellverstoßes durch die Behörden gebunden ist. Auf Schwierigkeiten stoßen dürfte weiterhin allerdings die Darlegung des Preises, der sich ohne den Kartellverstoß ergeben hätte. Die Darlegung dieses hypothetischen Preis, auf den sich Schadensersatzansprüche gründen, dürfte auch künftig das hauptsächliche Problem in der gerichtlichen Praxis sein. Gemäß § 33 a GWB wird aber auch insoweit widerleglich vermutet, dass ein nachgewiesener Kartellverstoß überhaupt zu einem Schaden geführt hat.

Recht auf Vorlage von Beweismitteln

Den durch Kartellabsprachen Geschädigten wurde ein Anspruch auf die Vorlage umfassender Dokumente zum Nachweis der unrechtmäßigen Absprachen eingeräumt. Dieses Auskunftsrecht gilt unter bestimmten Voraussetzungen sogar gegenüber dritten Unternehmen, die an der Kartellabsprache nicht unmittelbar beteiligt sind, § 33 g GWB.

Verbesserte Fusionskontrolle

Das Gesetz stellt klar, dass ein kartellrechtlich relevanter Markt auch dann vorliegen kann, wenn zwischen den unmittelbar an einer Absprache Beteiligten keine Geldbeträge fließen. In Zukunft werden auch Zusammenschlüsse der Fusionskontrolle unterliegen, bei denen ein Unternehmen in Deutschland weniger als 5 Million Euro Umsatz erzielt (bisherige Grenze), der Wert der Gegenleistung aber über 400 Millionen Euro liegt, § 35 GWB. Hierdurch soll die Kontrolle über eine mögliche Marktbeherrschung großer Unternehmen durch die Übernahme junger innovativer Unternehmen mit hohem wirtschaftlichen Wert verbessert werden.

Ausdehnung der Konzernhaftung für Bußgelder

Die Haftung von Konzernen und Rechtsnachfolgern wird durch die Ausdehnung der Haftung auf Gesamtrechtsnachfolger und wirtschaftliche Nachfolger erweitert, § 81 GWB. Hierdurch soll verhindert werden, dass sich - wie im berühmten „Wurstkartell“ geschehen - Kartellbeteiligte durch Umstrukturierungen und Vermögensverschiebungen der Haftung für Bußgelder entziehen. Das Kronzeugenprivileg bleibt allerdings im wesentlichen bestehen, § 33 e. Geldbußen sollen nicht nur gegen die unmittelbar handelnden Unternehmen, sondern auch gegen die lenkende Konzernmutter und gegen Rechtsnachfolger verhängt werden können. Allerdings fehlt eine entsprechende Überleitungsregelung für Schadensersatzansprüche. Die Auffüllung dieser schon jetzt kritisierten Gesetzeslücke wird wohl den Gerichten überlassen bleiben.

Verbraucherschutz blieb lückenhaft

Kritisiert wird auch, dass das Gesetz keinen eigenen Schadensersatzanspruch für Verbraucher eingeführt hat. Der Vorschlag des Bundesrates auf Einführung einer Musterklage durch Verbraucherschutzverbände bei Kartellverstößen fand keinen Niederschlag im Gesetz. Dies ist in anderen Ländern, beispielsweise in England, anders geregelt. Dort sind Sammelklagen durch Verbraucherschutzverbände zugelassen.

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Hintergrund:

Kronzeugenregel

Die erfolgreiche Arbeit der Kartellbehörden beruht nicht zuletzt auf der Kronzeugenregelung. Danach kommt das Unternehmen, das Preisabsprachen anzeigt, ungeschoren davon. Das Bundeskartellamt wirbt auf seinen Internet-Seiten offensiv für das anonyme Anzeige-Verfahren, das Privatpersonen (auch Mitarbeitern) strikte Anonymität zusichert.

Die Regelung ist nicht unumstritten, da sie zu Ermittlungszwecken der Kartellbehörden quasi zum Foulspiel einlädt. Möglicherweise verleitet die Kronzeugenregelung gar die eine oder andere Branchengröße dazu, erst die Preise mit kleineren Konkurrenten abzusprechen, um diesen dann im zweiten Schritt bei den Kartellbehörden anzuschwärzen und selbst Dank der Kronzeugenregelung straffrei zu bleiben.

Nach Auffassung des EuGH (Urteil v. 15.03.2017, C-162/15 P-R) ist aber zu berücksichtigen, dass es die

  • unabdingbare Voraussetzung der Wiederherstellung des Gleichgewichts des Marktes
  • und Durchsetzung schadensrechtliche Ansprüche durch betroffene Unternehmen ist,
  • dass kartellwidrige Absprachen überhaupt erst aufgedeckt würden.

Dies sei in der Praxis häufig nur durch aktives Anzeigeverhalten eines oder mehrerer der an der rechtswidrigen Absprache beteiligten Unternehmen zu erreichen.

Schlagworte zum Thema:  Wettbewerbsrecht, Fusion