Wie stark haftet ein in die falsche Richtung fahrender Radler?

Ein Radfahrer, der einen Radweg entgegen der vorgeschriebenen Richtung benutzt und dabei mit einem Auto kollidiert, muss mit einer hohen Haftungsquote rechnen.


Ein Fahrradfahrer fährt in verkehrter Richtung auf einem Radweg. Als er diesen verlässt und auf die Straße einbiegt, kollidiert er mit einem Auto. Gestritten wurde vor Gericht um die Haftungsverteilung.

Radfahrer macht Schaden von 3.200 Euro geltend

Der klagende Radfahrer hatte bei dem Unfall erhebliche Verletzungen davongetragen. Er machte als Schaden

  • den Wiederbeschaffungsaufwand für sein Fahrrad (100 Euro),
  • den Verdienstausfall (936 Euro),
  • einen Haushaltsführungsschaden (2.138,90 Euro)
  • und eine Unkostenpauschale (25 Euro) geltend,

insgesamt knapp 3.200 Euro.

Das OLG München sah beim Radfahrer eine Haftung von drei Vierteln, beim Autofahrer von einem Viertel. Entsprechend niedrig fällt der Anspruch des Radfahrers aus: knapp 800 Euro.

Gefährdung durch fließenden Verkehr nicht beachtet

Das Gericht begründete die überwiegende Haftung des Radfahrers damit, dass dieser verbotswidrig einen linken Geh- und Radweg benutzt habe. Der Radfahrer habe den Weg dann verlassen, ohne die Gefährdung durch den fließenden Verkehr auszuschließen.

Richtigerweise hätte der Radler aber wie ein Fußgänger warten und dem einmündenden Verkehr Vorrang einräumen müssen.

Entscheidend:

  • Der Radweg setzte sich nicht auf der anderen Seite der Straße fort
  • Es gab auch keine Markierung auf der Fahrbahn, die derartiges vermuten ließ

Aus diesen Gründen ist auch die Rechtsprechung über die Vorfahrtsberechtigung eines in gegensätzlicher Richtung auf dem Radweg der Vorfahrtsstraße fahrenden Radfahrers nicht anwendbar.

In einem Fall wie diesem ist ein Radfahrer deshalb wartepflichtig wie ein Fußgänger.

Autofahrer hätte Zusammenstoß kaum vermeiden können

Bei der Haftungshöhe des Autofahrers spielt zudem eine Rolle, dass der Radfahrer mit einer Geschwindigkeit von mindestens 18 km/h auf die einmündende Straße einfuhr, so dass der Autofahrer eine nur sehr geringe Möglichkeit hatte, den Zusammenstoß zu vermeiden.

Der beklagte Autofahrer hatte allerdings zugegeben, dass er keine Aufmerksamkeit auf den von rechts kommenden Verkehr gerichtet hatte. Im Ergebnis führte dies zu einer Haftung von einem Viertel für den Autofahrer.

(OLG München, Urteil v. 05.08.2016, 10 U 4616/15).


Schlagworte zum Thema:  Verkehrsunfall, Mitverschulden