Können Verkehrsschilder z.B. Tempo 10 nach Bedarf kreiert werden?

Tempo-10-Zone für einen verkehrsberuhigten Bereich? Das wünscht sich mancher Anwohner. In Berlin wurde eine solche von der Behörde ausgeschildert, obwohl weder in der Straßenverkehrsordnung noch im Verkehrszeichenkatalog eine derartige Begrenzung auftaucht. Vor Gericht musste geklärt werden, ob die Anordnung rechtswidrig war, denn nicht alle Anwohner waren damit zufrieden.

Ist eine solche Straßenverkehrsbeschilderung nach Wunsch und Bedarf zulässig? Das Verwaltungsgericht hatte die Klage eines Anwohners gegen die "Tempo 10-Zone" abgewiesen. Der Umstand, dass die Straßenverkehrsordnung und der amtliche Verkehrszeichenkatalog nur eine "Tempo 30-Zone" und eine "Tempo 20-Zone" vorsehe, stehe der Anordnung nicht entgegen, denn es handele sich nicht um eine abschließende Aufzählung der zulässigen Verkehrszeichen.

Keine Verkehrsschilder-Neukreationen: OVG verweist auf straßenverkehrsrechtlichen Ausschließlichkeitsgrundsatz

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg kam, anders als das Verwaltungsgericht, zu der Einschätzung, dass der mit dem Verkehrsschild Tempo-10-Zone angeordnete verkehrsberuhigte Geschäftsbereich rechtswidrig ist und den Kläger, der sich dagegen gewandt hatte, in seinen Rechten verletzt sei (§ 113 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 S. 1 VwGO). Die Anordnung verstoße gegen den straßenverkehrsrechtlichen Ausschließlichkeitsgrundsatz.

"Tempo 10" steht nicht im Verkehrszeichenkatalog 

Das OVG begründete seine Entscheidung damit, dass weder in den Anlagen 1 bis 4 zur Straßenverkehrsordnung noch dem amtlichen Verkehrszeichenkatalog (VzKat) ein Vorschriftszeichen Tempo-10-Zone existiert. 

Ein derartiges Verkehrszeichen könne auch nicht im Wege der Auslegung kreiert werden. Insbesondere könne durch Auslegung kein neues, in den einschlägigen Vorschriften nicht vorgesehenes Vorschriftzeichen eingeführt werden. 

Es könne auch nicht mit Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde eingeführt werden. Dieser Weg sei nur für sog. Zusatzzeichen, die i.d.R. unter einem Verkehrszeichen angebracht werden, eröffnet.

StVO-Verkehrszeichen sind abschließend geregelt

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sind die Regelungen der StVO über die zulässigen Verkehrszeichen einschließlich der im amtlichen Verkehrszeichenkatalog dargestellten Varianten grundsätzlich abschließend.

Nach dem Wortlaut des § 45 Abs. 4 Halbsatz 1 StVO dürften die Straßenverkehrsbehörden „den Verkehr nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen lenken. Was unter dem Oberbegriff Verkehrszeichen zu verstehen ist, wird also in der StVO abschließend definiert.

Fazit: Das im amtlichen Verkehrszeichenkatalog nicht vorgesehene Verkehrsschild „Tempo-10-Zone“ ist kein zulässiges Verkehrszeichen.

(OVG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 20.11.2019, OVG 1 B 16.17)

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Hintergrund: Verkehrszeichen

Ein Verkehrszeichen stellt, sofern es ein Gebot oder Verbot beinhaltet, von seiner Rechtsnatur her einen Verwaltungsakt (VA) in der Form der Allgemeinverfügung dar, § 35 S. 2 Alt. 3 VwVfG. Geregelt i.S.d. VA wird die Benutzung der öffentlichen Sache "Straße", "Weg" oder "Platz". Die Anordnung einer geschwindigkeitsbeschränkten Zone ist ein VA mit Dauerwirkung.

Die Gebote und Verbote beinhaltenden Verkehrszeichen sind in analoger Anwendung des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwGO sofort vollziehbar (BVerwG, Urteil v. 21.08.2003, 3 C 15.03).

Aus: Deutsches Anwalt Office Premium

Schlagworte zum Thema:  Verkehrsrecht, Ordnungswidrigkeit