Bei Unfallschäden keine automatische Mithaftung für Gurtmuffel

Wer bei einem Verkehrsunfall nicht angeschnallt war, den trifft bei Verletzungen nicht automatisch eine anspruchsmindernde Mithaftung. Die Gurte hätten die Verletzungen dafür voraussichtlich verhindern oder verringern müssen.

Der Kläger war bei einem Autounfall, bei dem er mit einem anderen Fahrzeug kollidierte, das die Vorfahrt missachtet hatte, stark verletzt worden. Er erlitt eine Oberschenkelfraktur, Knieverletzungen sowie Verletzungen des Brustbeins. Zudem zog er sich Kopfverletzungen durch den Aufprall auf die Windschutzscheibe zu.

Kfz-Versicherer wollte Schadensersatz um 50 % kürzen

Die Kfz-Versicherung des Unfallverursachers wollte die Schadensersatzansprüche um 50 % kürzen, weil der Kläger nicht angeschnallt war. Das OLG München kam zu einem anderen Ergebnis.

Klare Anforderungen für anspruchsmindernde Mithaftung

Wird ein Sicherheitsgurt nicht angelegt, tritt im Falle einer Verletzung nur dann eine anspruchsmindernde Mithaftung ein, wenn eindeutig festgestellt werden kann, dass

  • die Verletzungen bei angelegtem Gurt tatsächlich komplett verhindert worden wären oder
  • die Verletzungen weniger schwerwiegend ausgefallen wären.

Im vorliegenden Fall traf dies nur bedingt zu. Gutachter hatten festgestellt, dass der Kläger sicherlich keine Oberschenkelfraktur erlitten hätte, wäre er angeschnallt gewesen.

Gurt hätte einige Verletzungen nicht verhindert

Die Verletzungen an Brustkorb und Kopf hätten nach Ansicht der Sachverständigen auch durch einen Gurt nicht verhindert werden können. Dass der Kläger bei Tragen eines Gurtes praktisch unverletzt geblieben wäre, verneinten die Fachleute damit eindeutig.

Nur ein Drittel Mitverschulden

Das Gericht sah deshalb beim Kläger nur ein Mitverschulden von einem Drittel. Auch billigte es ihm einen Schmerzensgeldanspruch zu. Der sei auch bei einer Haftungsquote von 1/3 zu 2/3 nicht unangemessen.

Anspruch auf Schmerzensgeld

Zur Berechnung des Schmerzensgeldes führte das Gericht aus, dass das Mitverschulden des Verletzten nicht in der Weise berücksichtigt werde, dass zuerst die Höhe des Anspruchs ohne Verschulden ermittelt und dann der Anspruch entsprechend der Mitverschuldensquote gekürzt werde.

Mitverschulden ist lediglich ein Bewertungselement

Das Mitverschulden ist lediglich ein Bewertungselement neben anderen, um zur gerechtfertigten Höhe des Schmerzensgeldes zu kommen. Wichtige Parameter sind hier:

  • die körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen des Geschädigten
  • Stärke, Schwere und Heftigkeit der erlittenen Schmerzen
  • etwaige Dauerfolgen der Verletzungen

Letztlich obliegt es dem Richter, die einzelnen Faktoren zu gewichten.

(OLG München, Urteil v. 07.06.2013, 10 U 1931/12).

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