Strafrecht: Die Majestätsbeleidigung wird abgeschafft

Es ist eine äußerst schlanke Reform: Der § 103 StGB wird ersatzlos gestrichen. Er stellt die Beleidigung der Vertreter und Organe ausländischer Staaten unter besondere Strafdrohung. Zu verdanken ist die Verschlankung des StGB der Erdogan-Böhmermann-Affäre, denn Erdogan erzwang mit dieser recht altertümlichen Vorschrift die Strafverfolgung des Satirikers.

Das Schmähgedicht des Fernsehmoderators Jan Böhmermann auf den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan hatte ein parlamentarisches Nachspiel im Gewand einer Minireform des Strafrechts. Der Tatbestand der Majestätsbeleidigung, § 103 StGB, wird gestrichen - ebenso einfach wie unprätentiös.

Besonderer Schutz ausländischer Staaten im StGB

Die Reform betrifft den dritten Abschnitt des Besonderen Teils des StGB. Dieser hat Straftaten gegen ausländische Staaten zum Gegenstand. § 102 StGB sanktioniert den tätlichen Angriff auf Organe und Vertreter ausländischer Staaten, § 103 StGB stellt die Beleidigung der Vertreter und Organe ausländischer Staaten unter eine besondere Strafdrohung, § 104 StGB schützt Flaggen und Hoheitszeichen ausländischer Staaten. Gemäß § 104a StGB ist eine Strafverfolgung dieser Delikte nur zulässig, wenn die Bundesregierung eine ausdrückliche Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt.

Erdogan erzwang die Strafverfolgung des Satirikers

Die Vorschrift des § 103 StGB ermöglichte es dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan vor einem knappen Jahr, die Bundesregierung und vor allem die Bundeskanzlerin durch seine Forderung nach Strafverfolgung des Moderators Böhmermann gemäß § 103 StGB in eine äußerst missliche Situation zu bringen. Unter dem Druck, das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei nicht zu gefährden, erteilte die Bundesregierung die Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung Böhmermanns wegen seines Schmähgedichts. Teile der Medien zeigen sich hierüber äußerst entsetzt und sahen bereits die Freiheit der Kunstform Satire in Gefahr.

Relikt einer vergangenen Epoche

Tatsächlich ist die in § 103 StGB geregelte sogenannte Majestätsbeleidigung ein Relikt aus einer vergangenen Epoche. Der dort verwendete Begriff der Beleidigung ist kein anderer als der des allgemeinen Beleidigungstatbestandes, § 185 StGB. Der Strafrahmen ist allerdings deutlich höher und beträgt im Fall der verleumderischen Beleidigung bis zu fünf Jahre. Dieser erhöhten Strafdrohung bedarf es nach Meinung der Bundesregierung nicht. Auch der Schutz ausländischer Staatsoberhäupter und sonstiger Vertreter sei mit dem Schutz der allgemeinen Beleidigungs- und Verleumdungstatbestände in hinreichender Weise gewährleistet.

Völkerrechtliche Verträge schützen fremde Staatsoberhäupter

Nach allgemeinem Völkerrecht ist die rechtliche Lage allerdings nicht so unkompliziert, wie es auf den ersten Blick scheint.

  • Nach dem Völkergewohnheitsrecht sind Staaten verpflichtet, Vertreter anderer Länder auf ihrem Hoheitsgebiet besonderen Schutz zu gewähren.
  • Das völkerrechtliche Übereinkommen über die Verhütung, Verfolgung und Bestrafung von Straftaten gegen völkerrechtlich geschützte Personen vom 14.12.1973 enthält eine Strafverpflichtung bei Straftaten gegen Diplomaten, Staatsoberhäupter, Regierungschefs und Außenminister.
  • Ähnliche Pflichten folgen aus dem Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vom 18.4.1961.

Keine Extrawurst für Repräsentanten ausländischer Staaten

Trotz dieser völkerrechtlichen Verpflichtungen ist die Bundesregierung der Auffassung, dass Vertreter ausländischer Staaten im Falle einer Beleidigung durch die allgemeinen Strafbestimmungen hinreichend geschützt sind. Sonderstraftatbestände fordere das Völkerrechtlicht jedenfalls dann nicht, wenn Straftaten gegen Vertreter ausländischer Staaten schon nach dem allgemeinen Strafrecht in hinreichender Weise mit Sanktionen bedroht seien. Dies sei in Deutschland der Fall, so dass die Vorschrift der Majestätsbeleidigung ersatzlos abgeschafft werden könne.

Böhmermann war strafrechtlich schon vorher aus dem Schneider

Für den Satiriker Böhmermann spielt die Reform keine Rolle mehr. Die StA hat die gegen ihn eingeleiteten Ermittlungen mangels eines feststellbaren Beleidigungsvorsatzes des Moderators längst eingestellt. Die zivilrechtliche Auseinandersetzung zwischen dem türkischen Staatsoberhaupt und dem Moderator ist allerdings noch nicht beendet.

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