Nach dem Hoeneß-Urteil - Ende eine Ära, das Leben geht weiter

Eingefleischte Fans haben wegen der harten Bestrafung ihres Fußballidols vor dem Gericht lauthals protestiert; Steuerrechtler sahen die verhängte Strafe von dreieinhalb Jahren als eher maßvoll an. Nun ist der Kampf vorbei. Alle sortieren sich neu und die Medien beschreiben das gehobene Knacki-Leben, so dass halb Deutschland gedanklich mit einziehen kann.

Die Verteidigung erklärte zwar nach der Verkündigung des Urteils sofort, in die Revision gehen zu wollen und die Klatschpresse freute sich sicher ehrlich auf Auflagen steigernde Schlagzeilen in den nächsten Monaten.  Doch dann war doch schon wieder alles vorbei. Die Verhandlungswoche donnerte durch wie ein ICE und nach Hoeneß hat auch die Staatsanwaltschaft die Akte geschlossen. Begründung : "Die Staatsanwaltschaft soll nur dann Rechtsmittel einlegen, wenn das Strafmaß in einem offensichtlichen Missverhältnis zur Schuld steht. Das war aus unserer Einschätzung nicht Fall." In etwa 4 Wochen ist mit dem Urteil, in etwa 6 Wochen mit dem Haftantritt zu rechnen.

Eine logische und wahrscheinlich kluge Entscheidung

Die schnelle Entscheidung von Uli Hoeneß zeigt vielleicht auch, warum Hoeneß in seinem Leben bisher so erfolgreich war. Er ist in (oft) der Lage, Situationen schnell und richtig einzuschätzen, er weiß, wann er seine Trümpfe ausgespielt hat und welche Chancen ihm noch bleiben. In seinem Prozess hatte er alle Trümpfe auf dem Tisch, mehr war nicht mehr aufzubringen.

Aufstiegschancen beim BGH gingen gegen Null

Die Chancen, den Urteilsspruch beim 1. Strafsenat des BGH zu verbessern, gingen gegen Null. Möglicherweise hätte der BGH sogar eine weitere Sachaufklärung durch das LG verfügt. Die „Einigung“ auf eine Steuerschuld von etwas über 28 Million EUR erfolgte angesichts der von Hoeneß nachgereichten ca. 70.000 Blatt Unterlagen ohne tiefere Sachaufklärung.

Erste Strafsenat des BGH ist bekannt dafür nachzubohren

Der erste Strafsenat des BGH ist bekannt dafür, in solchen Fällen nachzubohren. Dies wollten Hoeneß und seine Verteidiger wahrscheinlich vermeiden und dies dürfte im Ergebnis der bessere Schachzug gewesen sein als ein monatelanges Revisonsverfahren mit ungewissem Ausgang.

Wandlung vom Steuerhinterzieher zum Steuerehrlichen war missglückt

Hoeneß hat wohl auch eingesehen, dass seine Hinwendung zur totalen Steuerehrlichkeit nicht wirklich überzeugend war. Nachdem er erfahren hatte, dass Sternreporter von zwei Konten eines hohen Fußballfunktionärs in der Schweiz wussten, lotete er persönlich bei einem Treffen mit der Bundeskanzlerin Merkel den Stand der Verhandlungen zwischen Deutschland und der Schweiz über ein Steuerabkommen aus. Als Merkel ihm bei diesem Treffen mitteilte, dass daraus nichts würde, hat Hoeneß in der darauf folgenden Nacht mit einem pensionierten Steuerfahnder und seinem Steuerberater die Selbstanzeige überhastet formuliert und ist damit bei Gericht kläglich gescheitert.

Bayern-Chef war schlecht beraten

Nach Meinung von Fachjuristen wäre es durchaus möglich gewesen, innerhalb weniger Stunden eine den gesetzlichen Anforderungen genügende Selbstanzeige zu formulieren. Diese funktioniert nämlich auch in Form der so genannten „Stufenanzeige“. Bei dieser Form der Selbstanzeige nimmt der Steuerpflichtige aufgrund pauschaler Angaben eine Schätzung seiner Steuerschulden vor, die grundsätzlich deutlich über der tatsächlichen Steuerschuld liegt. Soweit eine solche „übersetzte Schätzung“ nicht zu niedrig ausfällt, wird diese Form der vorläufigen Selbstanzeige anerkannt, wenn die fehlenden Angaben umgehend nachgeliefert werden.

Nach schnellem Antritt zu langsam gewesen

Tatsächlich ging im Fall Hoeneß aber nichts wirklich schnell. Dass Hoeneß eine umfassende Datensammlung von 70.000 Seiten erst kurz vor Prozessbeginn nachgeliefert hatte, nahm das LG ihm denn auch übel. Der Vorsitzende Richter Rupert Heindl ließ in seiner Urteilsbegründung deutlich erkennen, dass diese zögerliche Vorgehensweise bei ihm erhebliche Zweifel an dem Willen des Angeklagten zur totalen Steuerehrlichkeit wecke.

Corporate Responsibility beim FC

Mit der Akzeptanz des Strafurteils erklärte Hoeneß denn auch, aus seinen Ämtern als Präsident und Aufsichtsratsvorsitzender beim FC Bayern zurückzutreten. Eine weitere Tätigkeit als Aufsichtsratschef wäre für einen rechtskräftig verurteilten Steuerhinterzieher mit der in großen Unternehmen geltenden „Corporate Responsibility“ nicht vereinbar gewesen. Viele Anhänger haben es Hoeneß verübelt, dass dieser nicht bereits zu dem Zeitpunkt, als er die Steuervergehen eingeräumt hatte, die entsprechenden unternehmensrechtlichen Konsequenzen zog.

War das Urteil gerecht?

Die Frage wird die Nation und die Kommentatoren wohl noch weiter beschäftigen. Wären die Steuerstraftaten des Uli Hoeneß durch die Staatsanwaltschaft entdeckt worden und hätte Hoeneß nicht selbst durch die Formulierung seiner Selbstanzeige einiges zur Aufdeckung beigetragen, so hätte angesichts der Größenordnung des Schadens die Normalstrafe bei ca. sieben Jahren Gefängnis gelegen.

Gericht wählte "goldenen" Mittelweg

Wäre die Selbstanzeige dagegen wirksam gewesen, so wäre jegliche Strafe komplett entfallen. Zwischen diesen beiden Polen hat das Gericht exakt die Mitte gewählt, ein Urteil mit dem sowohl die Staatsanwaltschaft auch als auch der Angeklagte selbst im Endeffekt leben können. Eine Strafe, die noch zur Bewährung hätte ausgesetzt werden können, kam nach der ausdrücklichen Erklärung des Vorsitzenden Richters zu keinem Zeitpunkt des Prozesses in Betracht. Der durchaus karrierebewusste Richter Heindl hat das Kunststück fertig gebracht, ein Strafmaß zu finden, der sein Urteil vor der Revision bewahrte.

Leerer Stuhl im Stadion

Im Stadion ist für Bayern am letzten Samstag eine harte Zäsur erfolgt: "Ein komisches Gefühl" beschlich Kalle Rummenigge. Jjedes Mal, wenn er sich nach einem Bayern-Tor gegen Leverkusen nach links beugte, um Uli Hoeneß zu umarmen, war der nicht da, sondern ein leerer Stuhl. Die nächsten Monate wird Hoeneß nach einer kurzen Verschnaufpause woanders absitzen.

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Eine Strafverbüßung kommt für den ehemaligen Bayern-Boss wohl in der Vollzugsanstalt Landsberg am Lech in Betracht. Nach Erklärung der Justizbehörden wird es eine Sonderbehandlung für Hoeneß nicht geben, d.h. er wird mit einer ganz normalen Gefängniszelle vorlieb nehmen müssen. In der Praxis könnte manches für den ehemaligen Bayern-Boss jedoch durchaus komfortabler als für andere Gefangene werden. Für „geeignete Gefangene“, insbseondere Erstverbüßer,  sieht das Strafvollzugsgesetz nämlich Vollzugslockerungen vor, wobei insbesondere die Einräumung des Freigängerstatus Hoeneß eine erhebliche Vergünstigung bieten könnte. Salopp formuliert würde dies bedeuten, dass Hoeneß tagsüber – vielleicht nach einer kurzen Zeit der Normalhaft - seinen Geschäften außerhalb der Anstalt nachgehen könnte und er lediglich zum Schlafen in den Knast müsste. Außerdem käme eine Aussetzung eines Strafrestes zur Bewährung grundsätzlich nach Verbüßung der Halbstrafe in Betracht. Dies alles scheint im Fall Hoeneß zumindest nicht ausgeschlossen.

Der Hoeneß-Effekt

Die schlimmste Strafe für Hoeneß dürfte die Zerstörung seines Persönlichkeitsprofils in der Öffentlichkeit sein. Seine Identität, die Hoeneß sich nach außen gegeben hat und die ein Teil seines Lebensinhalts war, ist nachhaltig zerstört. Für den harten Kern seiner Fans dürfte die Ära Hoeneß dagegen nicht zu Ende sein und weiterhin gepflegt werden.

"Gute Freunde kann niemand trennen"

Sein Name bleibt sicherlich mit dem FC Bayern verbunden, aber sein eigentlicher Glanz ist nicht mehr Gegenwart sondern Geschichte. Auch juristisch bleibt der Fall Hoeneß nicht ohne Wirkung. Sein Prozess und die damit verbundene Öffentlichkeit haben aber auch erheblich dazu beigetragen, dass die Koalition das Instrument der Selbstanzeige überarbeiten will und diese künftig mit hoher Wahrscheinlichkeit unter verschärfte Bedingungen gestellt wird. Damit hätte Hoeneß denn neben Fußballgeschichte auch Rechtsgeschichte geschrieben.

Beim FC Bayern heißt es ersteinmal noch. es gelte nicht: "Der König ist tot, es lebe der König", sondern doch eher: "Gute Freunde kann niemand trennen."

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