Infektionsschutzgesetz: Neue Regeln für Herbst und Winter

Der Bundesrat  hat  am 16.9.2022 dem "Gesetz zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung vor Covid-19" zugestimmt. Das Gesetz wurde noch am gleichen Tag im BGBl. verkündet (BGBl. 2022 I, S. 1454). Im Zentrum der Reform steht ein Zweistufenkonzept mit Maskenpflicht im öffentlichen Personenfernverkehr, Maskenpflicht und Tests für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen sowie Sonderregelungen in den Ländern je nach Infektionslage. Eine wichtige Neuerung ist auch der neue § 59 Abs. 1 IfSG, wonach Quarantänezeiten nicht mehr auf den Urlaub angerechnet werden. Das Gesetz tritt ab dem 17.9.2022 bzw. einzelne Regelungen auch später in Kraft. Die darin enthaltenen Rechtsgrundlagen für Schutzmaßnahmen im Infektionsschutzgesetz gelten vom 1.10.2022 bis 7.4.2023.

Die Corona-Schutzregelungen nach dem geltenden IfSG laufen am 23.9.2022 aus, gelten aber als Übergangsregelung bis zum 30.9.2022 fort. Die neuen Regeln gelten dann ab 1.10.2022 und sind bis zum 7.4.2023 gültig. Die Neuregelung soll den Spagat zwischen notwendigen Einschränkungen durch Schutzmaßnahmen und gleichzeitig größtmöglicher Wahrung der Freiheitsrechte der Bevölkerung schaffen.

Zweistufenkonzept, keine Lockdowns und Ausgangssperren

Das neue Gesetz sieht ein Zweistufenkonzept vor. Die Regeln der 1. Stufe treten bundesweit ab 1. 10.2022 in Kraft. Die 2. Phase wird nur im Fall einer besonders bedrohlichen Entwicklung der Ansteckungen ausgelöst. Auch in der 2. Phase sind Lockdowns, Schul- und Betriebsschließungen sowie Ausgangssperren ausgeschlossen.

Grundvorsorgestufe

Die Stufe 1 sieht eine Art Grundvorsorge für das gesamte Bundesgebiet vor. Danach werden ab 1.10.2022 im gesamten Bundesgebiet vorgeschrieben:

  • Das Tragen von FFP 2 Masken im öffentlichen Fernverkehr (Bahn),
  • eine FFP-Masken- und Testpflicht für Besucher von Krankenhäusern und Pflegeheimen sowie Arztpraxen;
  • eine Befreiung von jeder Masken- und Testpflicht, wenn eine Genesung oder Impfung (ab 3. Impfung) nicht länger als 3 Monate zurückliegt.
  • Die im ursprünglichen Entwurf für Flugreisen vorgesehene Maskenpflicht wurde in letzter Minute gekippt, soll aber bei einer Verschärfung der Infektionslage von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung angeordnet werden können.

Corona-Arbeitsschutzverordnung für Betriebe bleibt gültig

In Betrieben wird weiter die Corona-Arbeitsschutzverordnung gelten, d.h. unter bestimmten gilt Voraussetzungen Masken- und Testpflicht sowie die weitgehende Ermöglichung von Homeoffice, soweit dies mit den betrieblichen Belangen vereinbar ist. 

Die ursprünglich geplanten Corona-Vorgaben für Unternehmen im Herbst sind jedoch entschärft worden: Die Betriebe werden doch nicht verpflichtet, ihren Beschäftigten Homeoffice und Tests anzubieten. Das Bundeskabinett beschloss bereits Ende August eine neue Corona-Arbeitsschutzverordnung, wonach Arbeitgeber im Rahmen eines Hygienekonzepts Homeoffice- und Testangebote für die Beschäftigten lediglich prüfen sollen. Die neue Verordnung gilt vom 1. Oktober bis 7. April 2023.

Quarantänezeiten werden nach dem neuen § 59 Abs. 1 IfSG nicht mehr auf den Urlaub angerechnet.

Was in der Rechtsprechung lange umstritten war und nun vom EuGH geklärt werden soll, ist nun gesetzlich normiert. Nach dem neuen § 59 Abs. 1 IfSG sind Quarantänezeiten nicht mehr auf den Urlaub anzurechnen.

In der arbeitsrechtliche Rechtsprechung war es in der letzten Zeit oft eine Problemstellung, wie man damit umgehen soll, wenn ein Arbeitnehmer in seinem Urlaub in die corona-bedingte Quarantäne geschickt wird. Das BAG hat diese Fragestellung zuletzt dem EuGH vorgelegt. Nun wurde hier eine gesetzliche Regelung geschaffen. Nach dem neuen § 59 Abs. 1 IfSG werden die Zeiten der Quarantäne nicht mehr auf den Urlaub angerechnet. 

Zusätzliche Optionen der Bundesländer

Um die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems oder der sonstigen kritischen Infrastruktur zu gewährleisten, wird den Bundesländern die Möglichkeit eingeräumt, weitergehende Regelungen erlassen zu  können.

Für den öffentlichen Personennahverkehr und in öffentlich zugänglichen Innenräumen können die Länder eine Maskenpflicht vorschreiben.

Dies gilt auch für Kultur- und Sportveranstaltungen sowie in Restaurants.

Ausnahme: Wer über einen Testnachweis verfügt, ist von der Maskenpflicht ausgenommen. Die Länder können diese Ausnahme auf Personen ausweiten, die nachweisen können, dass sie frisch geimpft oder genesen sind. 

Mit den zwingenden Ausnahmeregeln verfolgt der Gesetzgeber den Zweck, einen zusätzlichen Impfanreiz zu schaffen, zumal die für den Herbst erwarteten, an die neuen Virusvarianten angepassten Impfstoffe besser als die bisherigen vor der reinen Ansteckungsgefahr und nicht nur vor einem schweren Krankheitsverlauf schützen sollen.

Sonderregelung für Schulen

Die Länder erhalten die Möglichkeit, für die Schulen ab der 5. Klasse eine Testpflicht sowie das Tragen einer medizinischen Maske für Schüler und Beschäftigte vorzuschreiben (ausdrücklich keine FFP 2 Masken). Dies gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Maskenpflicht erforderlich ist, um den Präsenzunterricht aufrecht zu erhalten Für jüngere Kinder darf eine Maskenpflicht nicht angeordnet werden.

Erleichterter Schul- und Kitabesuch auch bei Infektionsverdacht

Nach dem nun beschlossenen Gesetze gilt der Schutzschirm für pflegende Angehörige und die zusätzlichen Kinderkrankentage auch 2023. Kinder benötigen bei einem Infektionsverdacht lediglich einen negativen Selbsttest um wieder den Schulunterricht bzw. die Kita besuchen zu dürfen.

Was künftig nicht mehr möglich ist

Gemäß neuem § 28b IfSG wird es

  • keine Lockdowns,
  • keine Schul- und Betriebsschließungen sowie
  • keine Demonstrationsverbote

mehr geben.

Erst "Winterreifenphase", dann "Schneekettenphase"

Der Bundesgesundheitsminister der Bundesjustizminister bezeichnen die 1. Stufe als "Winterreifenphase", die unter normalen Winterbedingungen ausreichen soll, um die pandemiebedingten Gefahren und die Auslastung des Gesundheitswesens in Grenzen zu halten. Die 2. Phase wird als "Schneekettenphase" bezeichnet, die nur dann in Kraft treten soll, wenn eine unerwartet ungünstige Entwicklung die Gefahrenlage durch das Cov-2-Virus deutlich erhöht. Von der Festlegung klarer Grenzwerte für das Einleiten der 2. Phase will die Regierung aber absehen und die exakte Bestimmung der Indikatoren wie auch die zu verfügenden Maßnahmen den einzelnen Ländern überlassen.

Die möglichen Maßnahmen der Länder in der 2. Phase

Im Fall des Falles haben die Länder in der 2. Phase die Option

  • der Einführung einer allgemeinen Maskenpflicht, also auch für Genesene und Geimpfte, 
  • die Einführung einer  Maskenpflicht bei Veranstaltungen im Außenbereich soweit der Mindestabstand von 1,5 m nicht eingehalten werden kann;
  • der Wiedereinführung von Abstandsregeln,
  • der Festlegung von Personenobergrenzen für die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen,
  • das verpflichtende Tragen von FFP 2-Masken beispielsweise in Restaurants oder bei Veranstaltungen,
  • die Wiedereinführung verpflichtender Hygienekonzepte.

Den Ländern bleibt die genauere Ausgestaltung der Untersuchungen zu den Ansteckungszahlen, ob über Inzidenzwerte oder über Abwasseruntersuchungen, überlassen. Sie legen die Indikatoren in eigener Verantwortung fest, sollen sich dabei aber an den Bestimmungen des IfSG und der im März 2022 festgelegten Hotspot-Regel (z.B. Intensivbettenbelegung) orientieren.

Auslösung der 2. Stufe nur durch Parlamentsbeschluss

Sämtliche für die 2. Stufe vorgesehenen Maßnahmen können die jeweiligen Landesregierungen nicht einfach festlegen, vielmehr ist hierfür ein gesonderter Landtagsbeschluss zur Feststellung einer konkreten Gefahr für die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems oder der sonstigen kritischen Infrastruktur für das jeweilige Bundesland oder eine bestimmte Region innerhalb des Bundeslandes erforderlich.


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