Zur Verjährungshemmung durch Güteanträge

Die Einreichung eines Güteantrags hemmt die Verjährung nicht, wenn der Antrag unter Verwendung eines Formularmusters erfolgt, das weder die konkrete Kapitalanlage noch die Zeichnungssumme noch den Beratungsvorgang hinreichend individualisiert.

Der BGH hat in mehreren Fällen die Schadenersatzklagen von AWD-Anlegern wegen eingetretener Verjährung abgewiesen. Die Kläger hatten sich in den Jahren 1999-2001 auf Anraten des AWD an geschlossenen Immobilienfonds beteiligt. Die Immobilienfonds entwickelten sich deutlich anders als erwartet. Die Kläger fühlten sich von den AWD- Mitarbeitern falsch beraten und beabsichtigten die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen. Vor endgültiger Klärung der Rechtslage reichen sie zum Zwecke der Verjährungshemmung im Dezember 2011 Güteanträge bei einer Gütestelle in Freiburg ein. Hierbei verwendeten sie Musteranträge, die ihnen von einer Anwaltskanzlei zur Verfügung gestellt worden waren.

Mehrere Tausend Anleger betroffen

Die Anträge waren im wesentlichen inhaltsgleich. Die konkreten Beanstandungen hinsichtlich der behaupteten Falschberatung waren aus den Formularen nicht zu entnehmen. Auch die Zeichnungssumme und der im einzelnen aufgetretene konkrete Schaden wurden nicht näher spezifiziert. Von diesem oder ähnlichen Antragsmustern haben mehrere Tausend Anleger Gebrauch gemacht. Eine größere Zahl hiervon hat inzwischen gerichtliche Schritte eingeleitet.

Sämtliche Ansprüche verjährt

Die Schadenersatzklagen der Kläger richteten sich gegen die Nachfolgeorganisation des ehemaligen AWD, die „Swiss Life Select“. Die Klagen waren sämtlich nicht erfolgreich. Die Kläger wurden mit ihrer Behauptung, bei Erwerb der Anteile an den geschlossenen Immobilienfonds fehlerhaft beraten worden zu sein, nicht gehört, weil nach Auffassung des BGH ihre Ansprüche sämtlich verjährt sind.

Verjährungshemmung durch Einreichung von Güteranträgen

Gemäß § 195 BGB a.F. betrug die regelmäßige Verjährungsfrist zum Zeitpunkt der Zeichnung der Anlagen 30 Jahre. Mit Änderung des BGB zum 1.1.2002 wurde die Verjährungsfrist bei Schadenersatzansprüchen ohne Rücksicht auf die Kenntnis von ihrer Entstehung auf maximal zehn Jahre begrenzt, § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr.1 BGB. Gemäß Art. 229  § 6 Abs. 4  EGBGB wird die Dauer der Verjährung vom 1. 1. 2002 an nach der kürzeren Frist berechnet. Gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB hätten die im Dezember eingereichten Güteanträge die zum 31.12.2012 eintretende Verjährung gehemmt, falls sie den rechtlichen Anforderungen an solche Güteanträge entsprochen hätten.

Ein Güteantrag ist keine inhaltsleere Formalie

Nach Auffassung der BGH-Richter waren die von den Klägern eingereichten Güteanträge nicht geeignet, die beabsichtigte Unterbrechung der Verjährung herbeizuführen. Der BGH stellte klar, dass die Einreichung eines Güteantrags nicht einfach eine inhaltsleere Formsache ist. Ein Güteantrag habe vielmehr die Funktion, dem Gegner zu erkennen zu geben, welcher Anspruch gegen ihn geltend gemacht werden soll und auf welcher Grundlage dieser Anspruch beruht. Zweck des Güteantrages sei, dem Gegner die Möglichkeit an die Hand zu geben, die Erfolgsaussichten seiner Rechtsverteidigung zu prüfen bzw. seinerseits einen angemessenen Schlichtungsvorschlag in Erwägung zu ziehen. Dieser Zweck des Gesetzes wird nach Auffassung des BGH-Senats nur dann erreicht, wenn der Güteantrag die wesentlichen Faktoren der beabsichtigten Beanstandungen erkennen lässt.

Mindestanforderungen eines Güteantrags

In seiner Entscheidung definierte der BGH die Mindestanforderungen für einen solchen Güteantrag:

  • Die Bezeichnung der konkreten Kapitalanlage,
  • die Angabe der Zeichnungssumme,
  • die Angabe des ungefähren Beratungszeitraums,
  • eine zumindest grobe Sachdarstellung des Hergangs der Beratung,
  • die Benennung des konkreten Verfahrensziels (zum Beispiel Schadenersatz)
  • Nicht zwingend erforderlich ist die Bezifferung des angestrebten Schadensersatzes.

Inhaltsleere Güteranträge hemmen die Verjährung nicht

Nach dem BGH genügten die Mustergüteanträge diesen Anforderungen in keiner Weise. Die Anträge seien ohne konkreten Bezug zum Beratungshergang und zur individuell behaupteten Falschberatung gestellt worden. Es habe sich um weitgehend nicht individualisierte formale Anträge gehandelt, die es dem Gegner nicht ermöglicht hätten, die Beanstandungen einigermaßen sinnvoll in sachlicher oder rechtlicher Hinsicht zu prüfen. Solche rein formalen, inhaltsleeren Anträge ohne konkreten Sachbezug habe der Gesetzgeber bei Formulierung der Vorschrift des § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB nicht im Sinn gehabt. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Hemmung der Verjährung nach dieser Vorschrift waren nicht erfüllt.

Enttäuschte Hoffnung auf Schadenersatz

Im Ergebnis wies der BGH sämtliche Klagen ab. Die Entscheidung hat Bedeutung für einige Tausend Anleger, die ihre Hoffnung auf Schadenersatz jedenfalls gegen die Beklagte nun endgültig begraben müssen. Ob möglicherweise die Anwälte, die die unzureichenden Musterformulare zur Verfügung gestellt haben, haftbar zu machen wären, ist zumindest nicht auszuschließen. In diesem Fall müssten die Kläger allerdings weitere kostenintensive Schritte einleiten, deren Ausgang eher ungewiss wäre.

(BGH, Urteile v. 18.6.2015, III ZR 189/14; 191/14: 198/14; 227/14)

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