Bestellung allein genügt nicht - Pflichtverteidiger braucht Vertretungsvollmacht

In dem Fall ging es kam es zur Verwerfung der Berufung des nicht erschienenen Angeklagten, obwohl ein Verteidiger in der Berufungshauptverhandlung anwesend war.
Keine wirksame Vollmacht vorgelegt
Das zuständige LG Essen monierte, dass der Pflichtverteidiger keine wirksame Vollmacht vorgelegt habe. Das OLG Hamm bestätigte diese Rechtsansicht. Denn der Pflichtverteidiger verfügte nicht über eine wirksame schriftliche Vertretungsvollmacht i.S.d. § 234 StPO, die Voraussetzung für eine Vertretung des Angeklagten ist.
Vollmacht erlischt mit zugrunde liegendem Rechtsgeschäft
Ebenso wie der Wahlverteidiger bedarf auch der Pflichtverteidiger zur Vertretung des Angeklagten in der Hauptverhandlung einer besonderen schriftlichen Vollmacht, an der es vorliegend fehlte.
Selbst wenn die von dem Verteidiger zu den Akten gereichte Vollmacht, die ihm als Wahlverteidiger erteilt worden ist, ausdrücklich seine Befugnis, den Angeklagten auch für den Fall der Abwesenheit zu verteidigen und zu vertreten, enthalten haben sollte, führt dies nicht zu einer anderen Entscheidung.
Bevollmächtigung als Wahlverteidiger ist mit Bestellung zum Pflichtverteidiger erloschen
Begründung:
- „ ..sofern in einer solchen formularhaften Klausel die geforderte (besondere) Vertretungsvollmacht gesehen werden könnte, ist diese zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung vor dem LG Essen jedenfalls nicht mehr wirksam gewesen (...).
- Denn die Erteilung dieser Vollmacht stand im Zusammenhang mit der Beauftragung des Verteidigers als Wahlverteidiger.
- Diese ist allerdings mit der Niederlegung des Wahlmandats durch den Verteidiger im Zusammenhang mit seiner Bestellung zum Pflichtverteidiger durch Beschluss des AG Essen (...) erloschen.
Dies folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 168 BGB, wonach die Vollmacht mit dem ihr zugrundeliegenden Rechtsgeschäft erlischt“, befanden die Hammer Richter.
Auch bestellter Pflichtverteidiger braucht unterschriebene Vertretungsvollmacht
Die besondere Vertretungsvollmacht des Verteidigers des Angeklagten ergibt sich auch nicht per se aus der Pflichtverteidigerbestellung. „Der Pflichtverteidiger hat grundsätzlich dieselbe Rechtsstellung wie der gewählte Verteidiger. Er ist aber nicht der (allgemeine) Vertreter, sondern Beistand des Angeklagten, der einen gesetzlichen Auftrag zu erfüllen hat. Dies bedeutet, dass der Pflichtverteidiger – ebenso wie der Wahlverteidiger – einer (gegebenenfalls erneut erteilten) ausdrücklichen Vertretungsvollmacht bedarf, die hier nicht vorliegt“, stellte das Gericht fest. Fazit: Pflichtverteidiger sollten nicht vergessen, sich von dem Mandanten trotz ihrer Bestellung durch das Gericht eine Vollmacht unterschreiben zu lassen.
(OLG Hamm, Beschluss v. 03.04.2014, 5 RVs 11/14).
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