Notanwalt: Zum Recht auf Bestellung eines Notanwalts

Die Bestellung eines Notanwalts durch ein Gericht erfolgt ausnahmsweise, wenn  Rechtssuchende trotz bestehender Erfolgsaussichten keinen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt finden. Der BGH legt die gesetzliche Regelung eng aus. Wer eine Frist versäumt, weil er auf zu Unrecht die Bestellung eines Notanwalts vertraut, hat keinen Anspruch auf Wiedereinsetzung.

Die Kläger hatten erfolglos vor dem LG und dem OLG Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung in Höhe von über 40.000 EUR geltend gemacht. Gegen die Nichtzulassung der Revision erhoben die Kläger Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH.

Beim BGH zugelassene Prozessbevollmächtigter will nicht mehr

Die beim BGH zugelassene Prozessbevollmächtigte der Kläger fühlte sich hinsichtlich der Beschwerdebegründung von den zweitinstanzlichen Bevollmächtigten der Kläger bevormundet und teilte dem BGH mit Schriftsatz vom 18.7.2013 mit, dass sie die Kläger nicht mehr vertrete.

Zugleich beantragte sie, die am 19.07.2013 ablaufende Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde um einen Monat zu verlängern, was antragsgemäß gewährt wurde.

Keinen willigen Anwalt gefunden - Antrag auf Bestellung eines Notanwalts gestellt

Am 30. Juli stellten die Kläger beim BGH einen Antrag auf Bestellung eines Notanwalts. Diese Möglichkeit sieht § 78b ZPO für die Fälle vor, in denen eine Partei keinen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt findet. Die Kläger legten dar, von 6 beim BGH zugelassenen Anwaltskanzleien abgelehnt worden zu sein. Sie sähen keine Möglichkeit, einen zu ihrer Vertretung bereiten Anwalt zu finden.

BGH lehnt Notantrag ab

Mit Beschluss vom 12.09.2013 lehnte der BGH die Bestellung eines Notanwalts ab mit der Begründung, die beabsichtigte Rechtsverfolgung erscheine aussichtslos.

Endlich Anwalt gefunden - Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt

Mit Schriftsatz vom 07.10.2013 stellten die nunmehr mit der Vertretung der Kläger beauftragten und beim BGH zugelassenen Rechtsanwälte einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung des Antrags legten sie dar, die Kläger hätten auf die Bestellung eines Notanwalts vertraut und auch darauf vertrauen dürfen. Hierdurch seien Sie an der rechtzeitigen Begründung der Beschwerde schuldlos gehindert gewesen.

Antrag auf Bestellung eines Notanwalts kann zur Wiedereinsetzung führen

Der BGH prüfte den Wiedereinsetzungsantrag der Kläger nach § 233 ZPO. Hiernach ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dann zu gewähren, wenn eine Frist schuldlos versäumt wurde. Nach der Rechsprechung des BGH kann einer Partei, welche trotz der Vornahme zumutbarer Bemühungen keinen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt gefunden hat, Wiedereinsetzung gewährt werden, wenn sie vor Fristablauf einen Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts gestellt und die Voraussetzungen für die Bestellung des Notanwalts substantiiert dargelegt hat (BGH, Beschluss v. 19.01.2011, IX ZA 2/11).

Spätere Mandatsniederlegung darf nicht von der Partei zu vertreten sein

Hier hatten die Kläger zunächst eine zu ihrer Vertretung bereite Rechtsanwältin gefunden, die dann das Mandat wieder niedergelegt hatte. Es kommt nach der Rechtsprechung des BGH also eine Wiedereinsetzung nur dann in Betracht, wenn die Kläger die Beendigung des Mandats durch die Bevollmächtigte nicht zu vertreten hatten (BGH, Beschluss v. 12.07.1993, II ZB 6I/93).

Die Gründe für die Mandatsniederlegung waren vorliegend Differenzen zwischen den zweitinstanzlich Bevollmächtigten der Kläger und der beim BGH zugelassenen Bevollmächtigten hinsichtlich des Inhalts der Beschwerdebegründung. Insoweit stellte der BGH klar, dass der Partei, die sich durch ihren vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten vertreten lässt, dessen Verschulden gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist.

Besondere Autonomie der BGH Anwälte

Vorliegend war die beim BGH zugelassene Prozessbevollmächtigte grundsätzlich bereit, die Beschwerde zu begründen. Sie hatte insoweit jedoch andere Vorstellungen als die Prozessbevollmächtigten zweiter Instanz. Wegen dieser Differenzen kam es zu Mandatsniederlegung.

Nach der Rechtsprechung des BGH rechtfertigen Differenzen mit den beim BGH zugelassen Prozessbevollmächtigten nicht die Bestellung eines Notanwalts. Eine Partei kann nämlich vom BGH-Anwalt nicht die Einreichung einer inhaltlich seinen Vorstellungen entsprechenden Revisions- oder Nichtzulassungsbeschwerdebegründung verlangen. Allein der beim zu BGH zugelassene Anwalt trägt die Verantwortung für die Fassung einer Begründungsschrift.

BGH-Anwälte bürgen für juristische Qualität

Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, wonach Rechtsmittel beim BGH nur durch einen dort zugelassenen Rechtsanwalt eingereicht werden dürfen, ist nach Auffassung des BGH nämlich die Gewährleistung eines besonderen Sach- und Fachniveau`s in der Revisionsinstanz durch eine

  • leistungsfähige und besonders qualifizierte Anwaltschaft sowie
  • eine Entlastung des BGH durch Vermeidung aussichtsloser und unzulässiger Rechtsbehelfe (BGH, Beschluss v. 20.06.2006, VI ZR 255/05).
  • Diesem Ziel der Zulassungsbeschränkung würde es zuwiderlaufen, wenn der Mandant oder die in der Vorinstanz tätigen Anwälte das Recht hätten, über den Inhalt der Schriftsätze des BGH-Anwalts zu bestimmen (BGH, Beschluss v. 20.11.1994 XI ZR 96/94; Beschluss v. 25.11.1997 VI ZR 174/97).

 Fristversäumnis war verschuldet

 Im Ergebnis lagen nach Auffassung des BGH damit die Voraussetzungen für die Bestellung eines Notanwalts nach § 78b ZPO nicht vor. Damit hätten die Kläger auch nicht auf die Bestellung eines Notanwalts durch den BGH vertrauen dürfen. Im Ergebnis konnte nach Auffassung des BGH daher die Versäumung der Nichtzulassungsbeschwerdebegründungsfrist nicht als unverschuldet angesehen werden. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war damit nicht zu gewähren.

 (BGH, Beschluss vom 18.12.2013, III ZR 122/13).