Gericht zu Kopierkosten aus einer Behördenakte

Effizienz statt Kleinlichkeit: Kann der Anwalt nicht nachweisen, dass die Kopie der kompletten Behördenakten erforderlich war, darf ihm das Gericht die Kopierkostenpauschale nicht vollständig streichen. Vielmehr sind dem Anwalt dann nach einer Entscheidung des Landessozialgerichts München zumindest die Hälfte der Kopierkosten zuzugestehen.

Für Kopien, die der Rechtsanwalt aus anderen behördlichen Akten und Dokumenten anfertigt, kann er vom Mandanten oder - im Fall der Prozesskostenhilfe - vom Staat Gebühren verlangen. Die Höhe der Gebühren beträgt für die ersten 50 Seiten jeweils 0,50 EUR und für jede weitere je 0,15 EUR. Und für Farbkopien können seit dem 1.8.2014 sogar 1 EUR für die ersten 50 Seiten und 0,30 EUR für die weiteren Seiten verlangt werden.

Dokumentenpauschale in Höhe von 31 EUR für 90 Kopien verweigert

In einem PKH-Verfahren hatte das Sozialgericht München einer Anwältin eine Dokumentenpauschale in Höhe von 31 EUR für 90 gefertigte Kopien verweigert. Die Beschwerdeführerin sei trotz Aufforderung ihrer Verpflichtung zur Glaubhaftmachung der Gebotenheit der Anfertigung der Kopien nicht nachgekommen, so dass eine Erstattung der Dokumentenpauschale grundsätzlich abzulehnen sei. Hiergegen hat die Anwältin Erinnerung eingelegt.

Begründung: Im vorliegenden Verfahren sei es um immer wieder schwankendes Einkommen der Klägerin und um verschiedene Zeiträume gegangen, was nur anhand der fast kompletten Akte nachvollzogen habe werden können. Das Sozialgericht München wies die Erinnerung zurück.

Nachweis für Notwendigkeit der Kopien schuldig geblieben

Die 90-seitige Verwaltungsakte sei nicht besonders umfangreich gewesen.  Eine Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 Nr. 1a VV RVG sei nicht festzusetzen, da die Beschwerdeführerin nicht die gesamten Akten ohne Rücksicht auf die darin enthaltenen Doubletten, Formblätter etc. habe ablichten dürfen. Im Ergebnis sei die Anwältin den Nachweis für die Notwendigkeit der gefertigten Kopien schuldig geblieben, so dass die Dokumentenpauschale von der Urkundsbeamtin zu Recht nicht gewährt worden sei.

Sichtweise des verständigen Anwalts entscheidend

Erst die Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht hatte Erfolg – zumindest teilweise.  Die Urkundsbeamtin und der Kostenrichter haben danach zu Unrecht keine Dokumentenpauschale (Nr. 7000 VV RVG) anerkannt; diese sei auf 22,50 EUR festzusetzen.

  • Nach Nr. 7000 Nr. 1a VV RVG kann für Kopien aus Behördenakten die Dokumentenpauschale gefordert werden, soweit diese Kopien zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten sind.
  • Dabei ist auf die Sichtweise eines verständigen und durchschnittlich erfahrenen Rechtsanwalts, der sich mit der betreffenden Akte beschäftigt, abzustellen.

Insoweit brauche, so die Landessozialrichter, kein kleinlicher Maßstab angelegt werden, denn dem Rechtsanwalt stehe insoweit ein Ermessensspielraum zu. Dieses Ermessen müsse er ausüben und dürfe z. B. nicht ohne weiteres die gesamte Behördenakte von einer juristisch nicht geschulten Kanzleikraft ablichten lassen. Das Gericht sei allerdings nicht verpflichtet, von Amts wegen den Umfang des kopierwürdigen Aktenguts zu ermitteln. Vorliegend ist nach den Feststellungen des Gerichts im Wesentlichen der gesamte Inhalt der Beklagtenakte kopiert worden. Die Anwältin habe aber nicht darlegen können, warum das Ablichten der gesamten Akte notwendig gewesen wäre. 

Gericht plädiert für vereinfachte und pauschale Berechnung

Unter Beachtung der vorstehend genannten Vorgaben der Rechtsprechung und insbesondere der fehlenden Pflicht des Gerichts, von Amts wegen zu ermitteln, welche einzelnen Aktenbestandteile kopierwürdig sind, sei bei der Bestimmung der Höhe der anzusetzenden Dokumentenpauschale eine pauschale und damit vereinfachte Berechnung vorzunehmen. Für eine solche Sichtweise spricht nach Ansicht des Landessozialgerichts auch der das RVG bestimmende Grundsatz der Effizienz.

Der Gesetzgeber habe für Nr. 7000 VV RVG eine solche vereinfachte Berechnung der Höhe der Kopierkosten als sinnvoll erachtet und einen Festbetrag je Ablichtung bestimmt. Dieser Grundsatz der Effizienz sei somit auch bei der Interpretation des Auslagentatbestands zu berücksichtigen.

  • Das kleinteilige nachträgliche Prüfen von Ablichtungen im Kostenfestsetzungs- oder im Rechtsmittelverfahren könne damit vermieden werden.
  • Aufgrund von Erfahrungswerten des Gerichts könnten somit im Falle einer vollständigen Ablichtung von Akten regelmäßig im Wege einer pauschalen Bestimmung die Hälfte der geltend gemachten Kopien als Kosten nach Nr. 7000 Nr. 1a VV RVG angesetzt werden.

Diese Pauschalierung berücksichtige u. a., dass einige in den Verwaltungsakten enthaltene Schriftstücke nicht kopiert werden müssen, um ein rechtsstaatliches Verfahren für den betreffenden Beteiligten zu ermöglichen, wie z. B. eigene Schriftsätze, bereits getroffene und übersandte Entscheidungen, Aktendeckel, bloße „technische“ Akteninhalte etc. 

Begründung sollte nachvollziehbar sein 

Zur Vermeidung überflüssigen bzw. unzumutbaren Aufwands kann diese Pauschalierung laut dem Richterspruch immer dann erfolgen, wenn sich die Erstattungsfähigkeit von Kopien der Hälfte des Akteninhalts nicht offensichtlich als zu umfangreich erweist, beispielsweise weil bereits in Parallelverfahren der identische Informationswert gewonnen werden konnte. Entsprechendes gelte auch im Hinblick auf die Begrenzung auf die Hälfte des Akteninhalts. Mit anderen Worten: Soweit der Rechtsanwalt nachvollziehbar begründet, dass Kopien in einem größeren Umfang angefertigt werden mussten, sind diese zu erstatten, ohne dass hier im Einzelnen weitere Ermittlungen stattfinden müssten. Das Gericht weist jedoch darauf hin, dass sich die Notwendigkeit ausschließlich aus den konkreten Umständen des Einzelfalls ergeben müsse. Begründungen wie 

  • jeder Aktenbestandteil habe einen Informationswert, oder auch,
  • das Kopieren zunächst inhaltlich unstreitiger Unterlagen sei geboten, da der Fortgang des Verfahrens unsicher sei,
  • sich die Bedeutung der jeweiligen Aktenbestandteile erst im Nachhinein ergebe,

seien nicht überzeugend. Denn eine solche pauschale Auffassung, wie sie häufig geäußert werde, gehe auf jeden Fall zu weit. Vielmehr sei zu beachten, dass die bloße Zweckmäßigkeit es noch nicht als wirklich geboten erscheinen lasse, Kopien herzustellen. 

(LSG München, Beschluss v. 8.11.2016, L 15 SF 256/14). 



Hintergrund

Der Anspruch auf Festsetzung der Kopierkosten folgt aus § 1 RVG in Verbindung mit Nr. 7000 VV RVG. Gemäß Nr. 7000 Nr. 1 a.) VV RVG sind die Kosten für Ablichtungen aus Behörden- und Gerichtsakten zu ersetzen, soweit die Herstellung zur sachgerechten Bearbeitung geboten war.

Zur Erforderlichkeit von Fotokopien

Grundsätzlich sind alle Auslagen des beigeordneten Anwaltes, mithin auch die Kosten für das Anfertigen von Aktenauszügen, als für eine sachgerechte Wahrnehmung der Interessen eines Beschuldigten bzw. Angeklagten notwendig und erforderlich anzusehen und es obliegt der Staatskasse nachzuweisen, welche Auslagen im konkreten Einzelfall für die sachgerechte Interessenwahrnehmung nicht geboten waren.

Dies gilt indes nicht, wenn gewichtige Anhaltspunkte ersichtlich sind, nach denen einzelne Auslagen unnötig verursacht wurden. In diesen Fällen obliegt es dem Rechtsanwalt, die Erforderlichkeit der Auslagen zu belegen, wobei ihm allerdings ein gewisser Ermessensspielraum einzuräumen ist (KG, Beschluss v. 20. 06. 2005, 3 Ws 20/05).


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