Auch Strafverteidiger muss Rechtszug im Zivilrecht kennen

Selbst wenn ein Rechtsanwalt fast ausschließlich im Strafrecht tätig ist, ist für ihn ein Rechtsirrtum über eine nicht belehrte Rechtsmittelfrist im Zivilrecht vermeidbar und wird nicht toleriert. Das hat das Oberlandesgericht Schleswig einem Anwalt ins Stammbuch beschrieben und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt.  

Das Landgericht Kiel hatte den beklagten Anwalt zur Rückzahlung von ihm eingenommenen Honorars in Höhe von rund 22.000 Euro an die Kläger verurteilt. Dagegen legte der Anwalt beim Landgericht Kiel eine Berufung ein. Das Gericht teilte nur mit, dass die Berufung beim Berufungsgericht einzulegen sei. Gleichzeitig wurden die Akten dem OLG Schleswig übersandt. Die Berufung schlug also beim falschen Gericht auf.

Nach der Berufung an das falsche Gericht war die Frist verstrichen

Doch da war die Frist längst verstrichen. Deshalb beantragte der beklagte Anwalt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Er vertrat die Auffassung, die Frist zur Einlegung der Berufung sei von ihm nicht schuldhaft versäumt worden, da eine Rechtsmittelbelehrung in der angegriffenen Entscheidung nicht enthalten gewesen sei.

Er habe sich versehentlich an den Regeln für die Berufungseinlegung in Strafsachen orientiert, da dies seine fast ausschließliche Tätigkeit darstelle.

Vermeidbarer Rechtsirrtum des Anwalts

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die versäumte Berufungsfrist hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des Gerichts liegt auf Seiten des Beklagten, der als Rechtsanwalt tätig ist, ein vermeidbarer Rechtsirrtum im Hinblick auf das im Rahmen des Berufungsverfahrens anzurufende Gericht vor.

Die Regelung des § 519 ZPO gehört danach zu den wesentlichen Vorschriften, die jeder im Zivilrecht tätige Rechtsanwalt kennen muss. Aus der Vorschrift selbst ist ohne weiteres ersichtlich, bei welchem Gericht die Berufungsschrift anzubringen ist.

Rechtsmittelbelehrung war nicht nötig

Entgegen der Auffassung des Beklagten liege auch eine schuldhafte Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung vor. Nach der amtlichen Begründung zu § 232 ZPO solle die Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im gesamten Zivilprozess den Bürgerinnen und Bürgern die Orientierung im gerichtlichen Instanzenzug erleichtern und der Vermeidung unzulässiger Rechtsmittel dienen, weil die Belehrung Form, Frist und zuständiges Gericht enthalten muss.

„Dabei hat der Gesetzgeber bewusst die Pflicht zur Rechtsbehelfsbelehrung in der ZPO auf Verfahren beschränkt, in denen eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben ist. Dadurch wird der Mehraufwand durch zusätzliche Informationspflichten für die Gerichte in einem vertretbaren Maß gehalten“, betonten die Richter.

Gericht: Das muss ein Rechtsanwalt wissen

Außerdem sei ein Rechtsanwalt nach Meinung des Gesetzgebers in gleicher Weise in der Lage, der von ihr vertretenen Partei eine auf den Einzelfall zugeschnittene Belehrung über bestehende Anfechtungsmöglichkeiten zu erteilen, so dass in Verfahren, in denen die Vertretung durch einen Rechtsanwalt obligatorisch ist, die Belehrung durch die Gerichte entbehrlich sei (BT-Drs. 17/10490, 11). „Diese Motive des Gesetzgebers zeigen, dass einem Rechtsanwalt ausnahmslos die Kompetenz zugestanden wird, die zulässigen Rechtsmittel zu kennen oder sich bei Unkenntnis durch eine Recherche die Kenntnisse zu verschaffen“, schlussfolgerte das Gericht.

(OLG Schleswig, Beschluss v. 20.5.2014, 11 U 55/14).

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