Zeugenvernehmung per WhatsApp-Videochat

Die Durchführung von Gerichtsverfahren per Videokonferenz ist inzwischen im Zivilprozess Gerichtsalltag. In Straf- und auch in Ordnungswidrigkeitenverfahren ist die Verwendung von Videotechnik nach wie vor eher die Ausnahme §§ 247a, 255a StPO.
Zeugenvernehmung per WhatsApp-Video-Chat
Ein Novum ist vor diesem Hintergrund die Entscheidung des AG Dortmund, in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren die Vernehmung eines Zeugen über einen einfachen Video-Chat unter Verwendung des Messengerdienstes WhatsApp durchzuführen. Gegenstand des Verfahrens war die Missachtung einer seit 6 Sekunden Rotlicht zeigenden Ampel durch den Betroffenen. Ein solches Verhalten hat normalerweise neben einer Geldbuße die Verhängung eines Regelfahrverbots zur Folge.
Beruflich auf Führerschein angewiesen
In der mündlichen Verhandlung vor dem AG Dortmund bat der betroffene Fahrer eindringlich um eine Ausnahme von der Verhängung eines Regelfahrverbots. Er beteuerte, ein Fahrverbot sei für ihn mit übermäßigen wirtschaftlichen Einbußen verbunden. Sein Arbeitgeber würde sein Arbeitsverhältnis in diesem Fall kündigen, da er seine Arbeit als Elektriker bei ständig wechselnden Kunden nur mit Führerschein ausüben könne.
Betroffener drängte auf einen Video-Call mit seinem Arbeitgeber
Dies wollte das Gericht dem Betroffenen nicht ohne weiteres abnehmen und schlug vor, den Arbeitgeber als Zeugen vor Gericht zu laden. Der Betroffene war sich sicher, dass sein Arbeitgeber es ihm verübeln würde, wenn er in dieser Sache persönlich vor Gericht erscheinen müsste. Dann würde er lieber gleich selbst kündigen. Er bat den Amtsrichter, den Arbeitgeber einfach anzurufen und telefonisch zu befragen. Nach einigem Hin und Her erklärte der Amtsrichter sich bereit, einen Anruf per WhatsApp zu versuchen und den Arbeitgeber im Video-Chat zu befragen.
Zeuge mit WhatsApp-Vernehmung einverstanden
Gesagt getan. Das Gericht erteilte sowohl dem Betroffenen als auch dem Zeugen den ausdrücklichen Hinweis, dass die gerichtliche Vernehmung eines Zeugen per WhatsApp datenschutzrechtlich problematisch und ein Zugriff auf die Daten durch unbefugte Dritte nicht auszuschließen sei. Sowohl der Betroffene als auch der Arbeitgeber erklärten sich in Kenntnis dieser Umstände mit dieser Art der Vernehmung einverstanden. Der Arbeitgeber bestätigte, dass die Fahrerlaubnis für die Betätigung des Betroffenen als Elektriker unentbehrlich sei. Ohne Fahrerlaubnis sei der Mitarbeiter für das Unternehmen praktisch wertlos, weil er die Kunden nicht mehr besuchen könne.
Gericht sieht von Regelfahrverbot ab
Das Gericht ließ sich aufgrund dieser Aussage zu einer Ausnahme von dem Regelfall eines Fahrverbots bewegen. § 4 Abs. 4 BKatV erlaubt eine solche Ausnahme in begründeten Einzelfällen, stellt aber gleichzeitig eine angemessene Erhöhung der zu verhängenden Regelgeldbuße in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts. Von dieser Bestimmung machte der Amtsrichter Gebrauch. Er verdoppelte die Regelgeldbuße in Höhe von 200 Euro auf 400 Euro und sah von einem Fahrverbot ab.
(AG Dortmund, Urteil v. 27.3.2025, 729 Owi 30/25)
Hintergrund:
Mit der Vernehmung eines Zeugen über den Messenger-Dienst WhatsApp hat das AG Dortmund juristisches Neuland betreten. Im Rahmen einer Zeugenaussage werden sensible persönliche Daten abgefragt. Problematisch ist insbesondere die fehlende Transparenz und Kontrolle der Datenverarbeitung durch WhatsApp. Der Messengerdienst erfasst die Metadaten der Nutzer und kann diese an verbundene Unternehmen wie Facebook weitergeben. Die mögliche Weitergabe dieser Daten an verbundene Unternehmen von Meta ist datenschutzrechtlich bedenklich. Die Verfahrensweise des AG bewegt sich damit rechtlich in einer Grauzone, auch wenn sämtliche beteiligten Personen ausdrücklich ihr Einverständnis gegeben haben.
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