Schriftformheilungsklauseln in Mietverträgen sind stets unwirksam

Der BGH hat das Ende der Schriftformheilungsklauseln eingeläutet. Das Gesetz schreibt für Mietverträge, die für länger als ein Jahr abgeschlossen werden, die Schriftform vor. Schriftformheilungsklauseln sollen diese Vorgabe künftig nicht mehr unterlaufen können, da sie mit der nicht abdingbaren Vorschrift in § 550 BGB unvereinbar sind. Damit wird dem Vermieter die ordentliche Kündigung mangels Schriftform eröffnet.

In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte sich der Vermieter von Gewerberäumen auf einen Schriftformverstoß berufen. Das Mietverhältnis, das eigentlich bis zum 31.05.2020 laufen sollte, kündigte er. Die lange Laufzeit hatten der vormalige Vermieter mit dem Mieter vereinbart.

Schriftformheilungsklausel hätte den Vertrag gerettet

Einem die Miethöhe betreffenden Nachtrag aus 2011 fehlte es an der ausreichenden Bezugnahme auf den Hauptvertrag und die weiteren Vertragsbestandteile. Die Schriftform war damit nicht gewahrt. Die Schriftformheilungsklausel im Vertrag hätte diesen Mangel beheben können. Die Bundesrichter sahen allerdings Anlass, sich solche Klauseln grundsätzlich vorzuknöpfen.

  • Sie befanden, dass diese Klauseln dem Sinn und Zweck des Schriftformerfordernisses (§ 550 BGB) entgegenliefen.
  • Egal, ob individuell oder in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbart, seien sie daher per se unwirksam.

Damit war der Weg zur ordentlichen Kündigung durch den Vermieter grundsätzlich eröffnet.

Schutz des Erwerbers vor Überraschungen

Langfristige Mietverträge, so das Gesetz, müssen schriftlich abgeschlossen werden, ansonsten gelten sie auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und sind ordentlich kündbar (§§ 550, 126 BGB).

Geschützt werden soll in erster Linie ein potenzieller Erwerber, der in bestehende Mietverträge eintritt. Er soll aus der Mietvertragsurkunde und ihren Anlagen vollständig ersehen können, worauf er sich einlässt. Verhindert wird damit, dass er nachträglich mit für ihn ungünstigen Abreden konfrontiert wird, die Veräußerer und Mieter vor seiner Zeit geschlossen haben.

Schriftform betrifft Hauptvertrag, Anlagen, Nachträge und Änderungen

Schriftform bedeutet, dass sich alle wesentlichen Vertragsbedingungen wie

  • Mietgegenstand,
  • Miethöhe,
  • Mietdauer und
  • Mietparteien

aus einer Urkunde ergeben, die von beiden Seiten unterschrieben ist.

Nachträge nur unter bestimmten Voraussetzungen wirksam

Anlagen und Nachträge sind möglich, müssen aber zweifelsfrei ihre Zugehörigkeit zur Mietvertragsurkunde kenntlich machen. Das kann

  • durch eine körperliche Verbindung geschehen oder
  • durch klare Bezugnahmen auf den Ursprungsvertrag und alle anderen ergänzenden Urkunden.
  • Geänderte Regelungen müssen benannt und deutlich gemacht werden, dass im Übrigen die Bestimmungen des ursprünglichen Vertrags gelten sollen.

Hält ein einziger Nachtrag über eine wesentliche Vertragsbedingung die Schriftform nicht ein, führt das zur Entfristung des gesamten Mietvertrages.

Mit der Heilungsklausel muss die Schriftform nachgeholt werden

Eine Schriftformheilungsklausel verpflichtet die Mietvertragsparteien, Schriftformverstöße nachträglich zu beseitigen, um so eine „vorzeitige“ Vertragsbeendigung durch ordentliche Kündigung zu unterbinden. Bei Wirksamkeit dieser Klausel wäre der Vermieter im entschiedenen Fall verpflichtet gewesen, auf die Einhaltung der Schriftform hinzuwirken. Damit wäre sein Kündigungsgrund weggefallen. Da Schriftformheilungsklauseln nun der Vergangenheit angehören, war die ordentliche Kündigung möglich.

Rechtsmissbräuchliches Verhalten hindert die Kündigung 

Ein Schlupfloch bleibt. Höchst ausnahmsweise kann es rechtsmissbräuchlich sein, sich auf den Schriftformverstoß zu berufen. Und zwar dann, wenn die vorzeitige Beendigung des Vertrages zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde. Das kommt insbesondere in Betracht,

  • wenn der eine Vertragspartner den anderen schuldhaft von der Einhaltung der Schriftform abgehalten oder
  • sich sonst einer besonders schweren Treuepflichtverletzung schuldig gemacht hat oder
  • wenn die Existenz der anderen Partei bedroht wäre.

In dem Verhalten der Vermieterin sahen die Richter einen Treueverstoß, weil die formwidrige Abrede auf ihr eigenes Drängen und ausschließlich zu ihrem Vorteil (Mieterhöhung) getroffen wurde.

Die nicht eingehaltene Schriftform erschien dem Gericht lediglich willkommener Anlass, sich von einem ihr inzwischen lästig gewordenen langfristigen Mietvertrag zu lösen. In dritter Instanz war es daher für den Vermieter besiegelt: Er muss – trotz unzulässiger Schriftformheilungsklausel - bis zum bitteren Ende an dem Vertrag festhalten.

(BGH, Urteil v. 27.09.2017, XII ZR 114/16).

Anmerkung: Schriftformheilungsklauseln sind kein Rettungsanker mehr. Wem es bei auf lange Zeit geschlossenen Mietverträgen wichtig ist, dass sie Bestand haben, sollte penibel genau darauf achten und insistieren, dass alle Teile des Vertrags den Anforderungen an die Schriftform genügen.

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Hintergrund:

Bereits mit Urteil vom 22.01.2014 (XII ZR 68/10, NJW 2014 S. 1087) hat der BGH die Ansicht vertreten, dass die Schriftformheilungsklausel jedenfalls dann unwirksam ist, wenn sie "keine Einschränkung dahingehend enthält, dass sie nur im Verhältnis der ursprünglichen Vertragsparteien Geltung beanspruchen soll". Der Senat folgert dies aus dem Schutzzweck des § 550 BGB. Durch die Vorschrift soll in erster Linie der Grundstückserwerber geschützt werden. Der Erwerber soll aus der Vertragsurkunde ersehen können, an welche Vereinbarungen er gebunden ist. Dieser Schutzzweck werde verfehlt, wenn dem Erwerber eine Verpflichtung zur Heilung der Schriftform auferlegt werde.

 Aus: Deutsches Anwalt Office Premium

Schlagworte zum Thema:  Unwirksamkeit, Mietvertrag