Ungewollte Schwangerschaft - Arzt haftet nicht immer für Irrtum

Zieht ein Arzt aus einem vollständig erhobenen Befund einen falschen Schluss und ermöglicht damit eine ungewollte Schwangerschaft, handelt es sich lediglich um einen nicht haftungsbegründeten Diagnoseirrtum. Eine Haftung besteht erst dann, wenn die Diagnose im Zeitpunkt der Behandlung aus Sicht eines gewissenhaften Arztes medizinisch nicht vertretbar wäre.

So sehr sich viel Paare ein Kind wünschen mögen, manchmal ist es nicht der richtige Zeitpunkt und manchmal besteht ein entsprechender Wunsch nicht. Schlecht, wenn der Arzt dann versehentlich eine untaugliche Verhütungsmethode anwendet.

Spirale hatte wegen Uterus-Anomalie keine empfängnisverhütende Wirkung:


Die Klägerin, bei welcher eine unerkannte Uterus-Anomalie bestand, ließ sich im Mai 2005 bei dem beklagten Gynäkologen eine Spirale zur Empfängnisverhütung einsetzen. Zwei Jahre später wurde sie trotzdem schwanger und brachte eine gesunde Tochter zur Welt.

  • Die Patientin und ihr Lebensgefährte behaupteten nun, dass der Arzt die Anomalie bereits bei der Ultraschallkontrolle erkennen und deshalb von der Verwendung der Spirale abraten hätte müssen.
  • Aufgrund des vermeintlichen ärztlichen Behandlungsfehlers verlangten sie mindestens 5.000 € Schmerzensgeld, Ersatz für den Verdienstausfall in Höhe von knapp 28.000 € und den Ersatz des Unterhaltsschadens. 

Anhaltspunkte für Fehlbildung waren nicht vorhanden

Vor dem Landgericht Bielefeld war das Paar mit seiner Klage weitestgehend erfolgreich. Auf die Berufung der Beklagten wies das OLG Hamm die Klage jedoch ab.

  • Dem Gynäkologen war nach Ansicht des Gerichts kein Befunderhebungsfehler unterlaufen.
  • Er hatte nach den Ausführungen des Sachverständigen die Untersuchungen vorgenommen, welche im Zusammenhang mit dem Einlegen der Spirale geboten waren.
  • Zu weitergehenden Untersuchungen sei er nicht verpflichtet gewesen, da keinerlei Anhaltspunkte vorlagen, die auf ein eventuelles Vorliegen einer Anomalie hingedeutet hätten.

Haftung nur bei medizinisch nicht vertretbarer Diagnose

Das Ziehen eines falschen Schlusses aus den vollständig erhobenen Befunden stelle für sich allein nur einen nicht haftungsbegründeten Diagnoseirrtum dar. Ein haftungsbegründeter Diagnosefehler liege stattdessen nur vor,

  • wenn die Diagnose für einen gewissenhaften Arzt bei ex-ante Sicht medizinisch nicht mehr vertretbar sei.
  • Vorliegend sei jedoch die Anomalie extrem selten und bei einer Spiegelung kaum erkennbar.

Zudem habe sich die Klägerin seit dem 14. Lebensjahr in frauenärztlicher Betreuung befunden und auch die Untersuchungsbefunde der Vorbehandler hätten keine Anhaltspunkte einer Fehlbildung ergeben. Ebenso habe der gerichtliche Sachverständige erst nach intensiven Untersuchungen die Anomalie entdecken können, obwohl er - im Gegensatz zum Beklagten – zum Zeitpunkt der Untersuchungen entsprechende Anhaltspunkte für die Anomalie bereits hatte.

(OLG Hamm, Urteil v. 29.05.2015, 26 U2/13).


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