Vorschneller SCHUFA-Eintrag löst Schadenersatzpflicht aus

Anlässlich der sogenannten Scraping-Fälle bei Facebook, bei denen Unberechtigte in erheblichem Umfange persönliche Daten von Nutzern abgegriffen hatten, hatte der BGH erst kürzlich entschieden, dass betroffenen Nutzern ein Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens zusteht. In einer aktuellen Entscheidung hat sich der BGH erneut mit dem Anspruch auf immaterielle Entschädigung nach der DSGVO befasst. Anlass war diesmal ein von einem Mobilfunkunternehmen vorschnell veranlasster SCHUFA-Eintrag einer Kundin.
Unberechtigter SCHUFA-Eintrag erst nach 10 Monaten gelöscht
Gegenstand des Ausgangsverfahrens war eine Streitigkeit über eine von der Kundin gewünschte Vertragsänderung hin zu einem günstigeren Tarif. Das Mobilfunkunternehmen veranlasste einen Eintrag der Kundin bei der SCHUFA wegen nach Auffassung des Unternehmens rückständiger Zahlungen. 10 Tage später erkannte der Mobilfunkanbieter, dass die rechtlichen Voraussetzungen für eine SCHUFA-Meldung nicht vorlagen und beantragte die Löschung des Eintrags. Die Löschung erfolgte seitens der SCHUFA aber erst ca. 10 Monate später vollständig.
Kundin forderte immateriellen Schadenersatz
Gegen eine von dem Mobilfunkanbieter erhobene Klage auf Zahlung der angeblich rückständigen Forderungen wehrte sich die Kundin unter anderem mit einer Widerklage auf Verurteilung des klagenden Mobilfunkanbieters zur Zahlung von immateriellem Schadenersatz in Höhe von 6.000 Euro nebst Zinsen.
500 Euro Entschädigung waren der Kundin zu wenig
Nach divergierenden Instanzentscheidungen ging es im Revisionsverfahren vor dem BGH nur noch um den von der Beklagten geltend gemachten immateriellen Schadenersatz in Höhe von 6.000 Euro. Die Vorinstanz hatte der Beklagten lediglich eine Entschädigung in einer Höhe von 500 Euro zugesprochen. Hiergegen hat die Beklagte das Rechtsmittel der Revision eingelegt.
DSGVO gewährt materiellen und immateriellen Schadenersatz
Die Revision hatte keinen Erfolg. Trotz zum Teil rechtsfehlerhafter Erwägungen der Vorinstanz hielt der BGH, die getroffene Entscheidung im Ergebnis für zutreffend. Der BGH bezog sich maßgeblich auf die Rechtsprechung des EuGH zu dem von Art. 82 DSGVO postulierten Anspruch auf Ersatz des infolge von Datenrechtsverstößen entstandenen materiellen und immateriellen Schadens der betroffenen Person.
Immaterieller Schadenersatz in der Vergangenheit häufig abgelehnt
In der Vergangenheit haben die deutschen Gerichte in der Mehrzahl der Fälle Klagen auf immateriellen Schadensersatz abgewiesen. Eine häufige Begründung hierbei war eine unzureichende Darlegung und Konkretisierung der mit einem Kontrollverlust über die persönlichen Daten eingetretenen weiteren Schadensfolgen. Die Gerichte verlangten häufig eine Darlegung persönlicher Einschränkungen und Nachteile der Betroffenen über den bloßen Kontrollverlust der Daten hinaus (OLG Oldenburg, Urteile v. 16.4.2024 u. 13 U 59/23, 13 U 79/23, OLG Stuttgart, Urteil v. 22.11.2023,4 U 17/23; OLG Hamm, Urteil v. 15.8.2023, 7 U 19/23 und v. 21.12.2023, 7 U 137/23).
BGH begrenzt Anforderungen an Darlegungslast
Hierzu stellte der BGH in einer kürzlich getroffenen Entscheidung zu den Facebook-Scraping-Fällen klar, dass der bloße, auch nur kurzzeitige Kontrollverlust über die eigenen persönlichen Daten ein immaterieller Schaden im Sinne von Art. 82 Abs. 1 DSGVO sein kann. Der Betroffene müsse weder eine konkrete missbräuchliche Verwendung seiner Daten noch sonstige Nachteile oder weitere spürbare negative Folgen darlegen, um einen Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens geltend machen zu können (BGH, Urteil v. 18.11.2024, VI ZR 10/24).
BGH betont Ausgleichsfunktion des immateriellen Schadenersatzanspruchs
Hieran anknüpfend hat der BGH auch im aktuellen Fall die Ausgleichsfunktion des Anspruchs auf immateriellen Schadensersatz betont. Art. 82 DSGVO verfolge den Zweck, einen Ausgleich u.a. für die unberechtigte Weitergabe personenbezogener Daten - wie im konkreten Fall an die SCHUFA – zu schaffen. Ein SCHUFA-Eintrag beeinträchtige die Kreditwürdigkeit der Betroffenen in hohem Maße. Dies habe sich im konkreten Fall u.a. dadurch verwirklicht, dass die Hausbank der Beklagten wegen des SCHUFA-Eintrags eine beantragte Kreditvergabe zeitweilig angehalten habe. Hierfür stehe der Klägerin unabhängig von den materiellen Auswirkungen ein Anspruch auf Ausgleich des immateriellen Schadens zu.
500 Euro sind als immaterielle Entschädigung angemessen
Abgesehen von möglichen - nicht verfahrensgegenständlichen - materiellen Schäden der Beklagten befand der Senat den vom OLG zuerkannten Betrag von 500 Euro zum Ausgleich des immateriellen Schadens als ausreichend und angemessen. Entscheidend für die Höhe der Entschädigung seien sowohl die nicht unerhebliche Dauer des SCHUFA-Eintrags als auch dessen immaterielle Folgen für die Beklagte wie der permanent drohenden negativen Einstufung der Beklagten beispielsweise durch Kreditinstitute.
Entschädigungsanspruch hat keine Straffunktion
Der BGH betonte, dass nach der Rechtsprechung des EuGH die Berücksichtigung einer Straf- und Genugtuungsfunkton oder einer Generalprävention bei der Höhe der immateriellen Entschädigung nicht zulässig ist (EuGH, Urteile v. 20.6.2024, C-182/22 u. C-189/22). Die diesbezüglichen Erwägungen der Vorinstanz bewertete der BGH als rechtsfehlerhaft.
Revision zurückgewiesen
Im Ergebnis beanstandete der BGH aber die Bemessung des immateriellen Schadenersatzes durch die Vorinstanz in Höhe von 500 Euro nicht. Mögliche Abwägungsfehler der Vorinstanz hätten sich nicht zum Nachteil der Revisionsführerin ausgewirkt. Im Ergebnis blieb der Revision der Beklagten damit der Erfolg versagt.
(BGH, Urteil v. 28.1.2025, VI ZR 183/22)
Hintergrund:
In der Vergangenheit hat der EuGH in mehreren Urteilen komplexe Vorgaben zur Auslegung des Begriffes des immateriellen Schadens im Sinne von Art. 82 Abs. 1 DSGVO gemacht. Die Vorgaben des EuGH waren nicht immer so präzise, wie die Gerichte sich das gewünscht hätten. Die wichtigsten Grundsätze lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Der Anspruchsteller trägt die Darlegungslast für eingetretene Schäden und muss immaterielle Schäden hinreichend konkretisieren (EuGH, Urteil v. 4.5.2023, C – 300/21).
- Bereits die Befürchtung des Missbrauchs personenbezogener Daten kann ein ersatzfähiger immaterieller Schaden sein, jedoch muss die betroffene Person im Einzelfall nachweisen, dass diese Befürchtung im Hinblick auf die eigene Person begründet ist (EuGH Urteil v. 14.12.2023, C-340/21).
- Der Schadensbegriff beinhaltet keine Erheblichkeitsschwelle oder Bagatellgrenze, d.h. auch geringe Schäden sind zu ersetzen.
- Die Bemessung der Schadenshöhe ist den nationalen Gerichten unter Beachtung der unionsrechtlichen Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsätze überlassen.
- Dem Schadenersatz kommt keine Abschreckungs- oder Straffunktion zu.
- Das rein hypothetische Risiko eines Datenmissbrauchs genügt nicht für die Verwirklichung eines Schadens, vielmehr muss der Anspruchsteller eine individuelle Betroffenheit darlegen (EuGH, Urteil v. 25.1.2024, C – 687/21).
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