Rangierintensiver Tiefgaragenstellplatz als Mangel des Kaufobjekts

Nach einer Entscheidung des Berliner KG ist beim Kauf einer Eigentumswohnung mit Tiefgaragenstellplatz der Käufer zur Minderung des Kaufpreises berechtigt, wenn der Tiefgaragenstellplatz einen ungewöhnlich hohen Rangieraufwand beim Einparken erfordert und deshalb nicht von der vertraglich geschuldeten mittleren Art und Güte ist.
Kauf einer Eigentumswohnung mit Tiefgaragenstellplatz
Die Kläger hatten von einem Bauträger eine von diesem neu errichtete Eigentumswohnung mit einem dazugehörigen Tiefgaragenstellplatz in Berlin gekauft. Mit einer gerichtlichen Klage machten sie verschiedene Mängel geltend. Unter anderem forderten sie eine Minderung des Kaufpreises wegen eines für die Nutzung des miterworbenen Tiefgaragenstellplatzes erforderlichen unüblichen Rangier- und Einparkaufwandes.
Minderung auf der Grundlage von Werkvertragsrecht
Die Klage auf Minderung hatte sowohl erst- als auch zweitinstanzlich (mit Abzügen in der geltend gemachten Höhe) Erfolg. Das KG stellt zunächst fest, dass Mängelansprüche von Erwerbern an neu errichteten Eigentumswohnungen sich seit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 1.1.2002 nach Werkvertragsrecht richten (BGH, Urteil v. 9.11.2023, VII ZR 241/22). Ein möglicher Anspruch der Kläger auf Minderung gegenüber den Beklagten folge aus §§ 633 Abs. 1, Abs. 2, 634 Nr. 3, 638 BGB.
Stellplatz von mittlerer Art und Güte geschuldet
Auf der Grundlage des geschlossenen Kaufvertrages sowie der dazugehörigen Baubeschreibung der Beklagten habe die Beklagte gegenüber den Klägern einen Stellplatz mittlerer Art und Güte geschuldet. Mittlerer Art und Güte sei ein Stellplatz dann, wenn dort ein Durchschnittsfahrzeug ohne außergewöhnlichen Rangieraufwand mit durchschnittlichem Fahrkönnen geparkt werden könne.
Einparken erfordert mitunter fahrerisches Können
Das Gericht berücksichtigte, dass der Aufwand für das Einparken eines Fahrzeugs sowohl von den Maßen und technischen Gegebenheiten des Fahrzeugs wie Größe, Wendekreis und Einparkhilfen abhängt als auch von den fahrerischen Fähigkeiten des Einparkenden. Im konkreten Fall bewertete das Gericht die Anforderungen an das Geschick des Fahrers beim Einparkvorgang als überdurchschnittlich hoch.
Einparkvarianten mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden
Wegen einer die Fahrgasse begrenzenden Wand sei es in der ersten denkbaren Einparkvariante ausgeschlossen, an dem Stellplatz vorwärts vorbei zu fahren, um anschließend rückwärts einzuparken. Die denkbare zweite Variante des direkten Vorwärtseinparkens sei immer dann mit Schwierigkeiten verbunden, wenn der benachbarte und die gegenüberliegenden Stellplätze belegt seien. In diesem Fall seien mehrere Korrekturzüge erforderlich. In der dritten Variante schließlich müsse eine längere, nicht gerade verlaufende Strecke mit diversen Lenkmanövern rückwärts zurückgelegt werden, um ein Fahrzeug auf dem Stellplatz zu parken. Auch dies stelle erhöhte Anforderungen an das Fahrkönnen des Fahrers.
Standard mittlerer Art und Güte nicht erfüllt
Wegen der erforderlichen überdurchschnittlichen Einparkkünste bewertete das Gericht den Tiefgaragenplatz nicht als einen Stellplatz mittlerer Art und Güte. Der Stellplatz unterschreite diesen Maßstab. Zwar könne ein Erwerber grundsätzlich nicht verlangen, dass eine bestimmte Einparkvariante (vorwärts oder rückwärts) möglich ist und in einem Zug ausgeführt werden kann, ein Stellplatz mittlerer Art und Güte sei aber nur dann gegeben, wenn ein Einparken ohne überdurchschnittliches Fahrkönnen möglich ist.
Kein Gewährleistungsausschluss wegen vorbehaltloser Annahme
Der Anspruch auf Minderung war nach Auffassung des Gerichts auch nicht wegen vorbehaltloser Annahme des Werks ausgeschlossen. Nach Auffassung des Gerichts hatten die Kläger bei Übernahme des Kaufobjekts aus der Lage des Stellplatzes nicht den Rückschluss auf ein erschwertes Einparken ziehen können. Nach der Rechtsprechung seien Gewährleistungsansprüche wegen vorbehaltloser Annahme nur bei positiver Kenntnis des konkreten Mangels ausgeschlossen (BGH, Urteil v. 9.11.2000, VII ZR 409/99). Da die Kläger unstreitig in der Tiefgarage keinen Probelauf mit ihrem Fahrzeug unternommen hätten, seien ihnen die erhöhten Anforderungen beim Einparken zum Zeitpunkt des Kaufs und der Entgegennahme des Kaufobjekts nicht bekannt gewesen.
Minderung in Höhe von 20 %
Eine Fristsetzung zur Mängelbeseitigung war nach Auffassung des KG entbehrlich, da die Beklagten einen Mangel bis zum Schluss der 2. Instanz konsequent geleugnet hätten. Das KG hielt hinsichtlich des Mangels des Tiefgaragenstellplatzes eine Minderung des Kaufpreises um einen Betrag von 6.600 Euro für angemessen. Dies entspricht bezogen auf den für den Tiefgaragenstellplatz entfallenden Teil des Kaufpreises in Höhe von 33.000 Euro einer Quote von ca. 20 %. Eine Revision hat das KG nicht zugelassen.
(KG Berlin, Urteil v. 12.3.2025, 21 U 138/24)
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