Missbilligende Kammerbelehrung statt Rüge bei Betrugsvorwurfs gegenüber Kollegin
In einem Zivilverfahren hatte der Anwalt einen Mandanten vertreten. Im Rahmen eines Vergleichs sollte die Gegenseite die Anwaltskosten übernehmen. Mit dem in dem Kostenfestsetzungsbeschluss enthaltenen Anwaltshonorar rechnete die Gegenanwältin berechtigterweise auf. Das trug ihr eine Beleidigung durch den Kollegen ein.
Bitterböser Brief vom Kollegen
Daraufhin schrieb ihr der Kollege auf der Gegenseite einen bitterbösen Brief. Darin heißt es wörtlich:
„Sehr geehrte Frau Rechtsanwältin, tun Sie sich doch bitte einen Gefallen und überspannen den Bogen nicht. Ihre Ausführungen im Fernkopieschreiben von soeben, 17.31 Uhr, verstehen wir als Betrugsversuch und werden Sie, sofern Sie nicht umgehend davon Abstand nehmen, bei der Staatsanwaltschaft anzeigen. Sie sollten schnell handeln, weil wir bei Betrug keinen Spaß verstehen und schon gar nicht, wenn ein Rechtsanwalt der Betrüger ist!!!! Mit freundlichen Grüßen …".
Das fand die Kollegin nicht o.k. und schaltete die Kammer ein.
Missbilligende Belehrung wegen Verstoß gegen das Gebot der Sachlichkeit
Die zuständige Rechtsanwaltskammer sprach daraufhin gegen den Anwalt wegen Verstoßes gegen das Gebot der Sachlichkeit gemäß § 43a Abs. 3 BRAO eine missbilligende Belehrung aus. Das war eigentlich noch recht moderat, aber der Choleriker blieb beharrlich unbelehrbar und führte Klage gegen diese Verfügung beim Anwaltsgerichtshof. Hier und später beim BGH blieb er erfolglos.
Weit über das Ziel hinausgeschossen
Das angefochtene Urteil des Anwaltsgerichtshofs war laut BGH richtig.
- § 43a Abs. 3 BRAO verbietet ein unsachliches Verhalten bei der Berufsausübung des Rechtsanwalts.
- Unsachlich sind insbesondere herabsetzende Äußerungen, zu denen andere Beteiligte oder der Verfahrensverlauf keinen Anlass gegeben haben (§ 43a Abs. 3 Satz 2 BRAO).
Die Verfahrensbevollmächtigte der Gegenseite habe weder einen vollendeten noch einen versuchten Betrug (§ 263 StGB) zum Nachteil der Mandanten des Klägers begangen, betonte das Gericht.
Sie habe insbesondere nicht über Tatsachen getäuscht, sondern lediglich eine Auslegung des gerichtlichen Vergleichs vorgenommen.
Einsatz für Mandanten in allen Ehren - trotzdem auf dem Teppisch bleiben
- Zwar sei das Bemühen des Anwalts, ein für seine Mandanten günstigeres Ergebnis zu erreichen, nicht per se zu beanstanden. Hierzu war der Anwalt laut Richterspruch aufgrund des zwischen ihm und seinen Mandanten bestehenden Anwaltsvertrages berechtigt und verpflichtet. „Den objektiv falschen, nicht belegbaren Vorwurf des Betruges zu erheben,
- die Bezeichnung der gegnerischen Bevollmächtigten als Betrügerin
- und die Drohung mit einer Strafanzeige gingen jedoch weit über dieses legitime Ziel hinaus.
Der Kläger hat die gegnerische Bevollmächtigte, die ihrerseits die Interessen ihrer Mandantin wahrzunehmen hatte, vielmehr persönlich angegriffen und beleidigt. Einen Anlass hierzu hatte die gegnerische Bevollmächtigte nicht gegeben. Sie hatte das Anliegen ihrer Mandantschaft vielmehr sachlich und höflich vorgebracht und erläutert“, befanden die BGH-Richter.
Milde Disziplinarmaßnahme
Die Kammer habe vergleichsweise milde reagiert. Sie hätte statt einer Belehrung auch eine Rüge erteilen können. Mit dieser Begründung schickten die Karlsruher Richter den Verbalbeißer wieder nach Hause.
(BGH, Beschluss vom 1.12.2014, AnwZ (Brfg) 29/14).
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