Bei kränkendem Kontaktabbruch kein Anspruch auf Elternunterhalt

Eine nachdrückliche und dabei kränkende Kontaktverweigerung der Eltern über viele Jahre hinweg, lässt die Unterhaltspflicht von Kindern entfallen. Auch bei anderen Fallgruppen kann der Sozialhilferegress an fehlender Unterhaltspflicht scheitern, weil diese ein unbillige Härte wäre. Doch nicht jeder Kontaktabbruch kippt die Unterhaltspflicht.

Kommt man langsam in die Jahre und kann aus gesundheitlichen Gründen die Dinge des Alltags nicht mehr eigenständig erledigen, ist oft eine professionelle Pflege die einzige Alternative. Jedoch reicht meist weder das eigene Vermögen noch die spärliche Rente aus, die hohen Versorgungskosten selbst zu bezahlen. Viele Kinder pflegebedürftiger Eltern werden sich dann schnell mit dem Thema „Elternunterhalt“ auseinandersetzen müssen.

Wie Du mir, so ich Dir: Elternunterhalt

Solange Kinder nicht durch eigenes Einkommen ihren Lebensbedarf selber finanzieren können, schulden ihnen die Eltern Unterhalt. Aufgrund der familiären Solidargemeinschaft sind allerdings umgekehrt auch Kinder im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten verpflichtet, den Eltern unter die Arme zu greifen (§§ 1601, 1602 BGB). Aber nicht immer: Die Unterhaltspflicht kann bei schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen entfallen.

Stadt verlangt Pflegekosten zurück

Im vorliegenden Fall verstarb der Vater des Beklagten Anfang des Jahres im Alter von 89 Jahren, nachdem er über mehrere Jahre hinweg gepflegt werden musste. Die Pflegekosten hatte zunächst die Stadt Bremen übernommen, die jetzt klageweise rund 9.000 EUR vom Sohn des Verstorbenen zurückverlangte. Dieser sei nach Auffassung der Stadt der eigentliche Unterhaltsschuldner und daher regresspflichtig.

Jahrzehntelange demonstrative Kontaktverweigerung durch den Vater

Da die familiäre Bande zwischen Vater und Sohn allerdings seit über 30 Jahren abgerissen war, verweigerte der Sohn die Zahlung. Nach der Scheidung der Eltern im Jahr 1971 lehnte der Vater nachdrücklich jeden Kontakt mit seinem Sohn ab. Selbst auf der Beerdigung des Großvaters habe er kein Wort mit seinem Sohn gewechselt. Testamentarisch verfügte er zudem, sein Sohn solle nur den „strengsten Pflichtteil“ erhalten.

Schwere Verfehlungen lassen Unterhaltspflicht entfallen

Das angerufene OLG stellte sich jetzt auf die Seite des Sohnes. Die generell bestehende Unterhaltspflicht könne nach § 1611 BGB verwirkt werden, wenn – wie im vorliegenden Fall – der Vater die Beziehung zu seinem Sohn gröblich vernachlässigt und sich dadurch einer schweren Verfehlung schuldig gemacht hat.

Vater löste sich aus der Solidargemeinschaft

Durch die fast 30-jährige Kontaktverweigerung, das Ignorieren auf der Beerdigung des Großvaters und den ausdrücklichen testamentarischen Verweis auf den Pflichtteil, habe der Vater offenkundig jegliche Beziehung persönlicher und wirtschaftlicher Art zu seinem Sohn abgelehnt.

Dies kränkte den Sohn sehr. Der Vater zeigte dadurch einen besonders groben Mangel an verwandtschaftlicher Gesinnung und löste sich aus der Solidargemeinschaft. Eine Zahlung des Elternunterhalts wäre vorliegend grob unbillig und widerspreche dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise.

Nicht jeder Kontaktabbruch lässt Unterhaltspflicht entfallen

Aber nicht jeder Kontaktabbruch lässt die Unterhaltspflicht entfallen. Ist der persönliche Kontakt zwischen den Verwandten nur eingeschlafen oder hat man sich entfremdet, bleibt die Unterhaltspflicht grundsätzlich bestehen, betonten die Richter.

(OLG Oldenburg, v. 25.10.2012, 14 UF 80/12).

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Hintergrund:

Ausschluss des Sozialhilferegresses wegen unbilliger Härte

Der Übergang des Unterhaltsanspruchs auf den Sozialleistungsträger ist in bestimmten Fällen wegen unbilliger Härte ausgeschlossen (gem. § 94 Abs. 1 S. 2 bis 5, Abs. 2, 3 SGB XII).

Ein typischer Fall ist der, dass die Leistung von Barunterhalt als unzumutbare Härte neben persönlicher Pflege des Hilfebedürftigen gilt. Erbringt ein Kind erhebliche Leistungen zur häuslichen Pflege, stellt sich die Inanspruchnahme auf ergänzenden Barunterhalt zugleich als unzumutbare Härte i. S. von § 94 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII dar. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Leistungsträger durch die familiäre Pflege weitere Leistungen erspart, die das von ihm nach § 64 SGB XII zu zahlende Pflegegeld deutlich übersteigen (OLG Oldenburg, Urteil v. 14.1.2010, 14 UF 134/09, FamRZ 2010 S. 992).

Weitere von der Rechtsprechung anerkannte Fallgruppen:

  • Straftaten der Eltern gegen ihre Kinder,
  • Vernachlässigung im Kindesalter,
  • nachhaltige seelische Grausamkeit
  • oder die elterliche Weigerung zur Zahlung von Unterhalt zu Zeiten eines Unterhaltsanspruchs der Kinder.
Schlagworte zum Thema:  Elternunterhalt, Verwirkung