Letztwillige Zuwendung an den Hausarzt ist wirksam
In einer Grundsatzentscheidung hat der BGH die Bedeutsamkeit des letzten Willens einer Person als Rechtsgut von überragender Bedeutung herausgestellt, das durch nicht von einem Parlament erlassene berufsrechtliche Regelungen nicht eingeschränkt werden kann.
Erbvertrag mit Zuwendung eines Grundstücks an den Hausarzt
Im konkreten Fall hatte ein Erblasser unter Beteiligung seiner Tochter, deren Tochter sowie seinem Hausarzt einen „Betreuungs-, Versorgungs- und Erbvertrag“ geschlossen. Darin hatte er dem Hausarzt ein Grundstück vermacht. Als Gegenleistung verpflichtete sich der Hausarzt zu ständiger telefonischer Erreichbarkeit, zu regelmäßigen Hausbesuchen und zu weiteren überobligatorischen ärztlichen Behandlungs- und Betreuungsleistungen. Wenig später setzte der Erblasser in einem Testament seine Tochter zur Alleinerbin seines nicht in dem zuvor geschlossenen Erbvertrag erfassten Vermögens ein.
Insolvenzverwalter verklagt Alleinerbin auf Übertragung des Grundstücks
Als der Erblasser knapp 2 Jahre später verstarb, nahm seine Tochter den gesamten Nachlass in Besitz. Zu diesem Zeitpunkt war über das Vermögen des Hausarztes bereits das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter verklagte die Tochter auf Herausgabe und Übereignung des dem Insolvenzschuldner in dem Erbvertrag zugewandten Grundstücks.
Zuwendung des Grundstücks verstößt gegen ärztliche Berufsordnung
Die Klage blieb bei den Instanzgerichten ohne Erfolg. Das zweitinstanzlich zuständige OLG bewertete die Zuwendung des Grundstücks in dem Erbvertrag als Vermächtnis. Das Vermächtnis sei aber unwirksam. Gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 der Berufsordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe dürften Ärzte keine Geschenke oder andere Vorteile annehmen, wenn dadurch der Eindruck fehlender ärztlicher Unabhängigkeit entsteht. Diese Voraussetzung sah das OLG als gegeben an und bewertete das Vermächtnis als Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot und damit als unwirksam.
BGH bestätigt berufsrechtlichen Verstoß
Der BGH beurteilte die Rechtslage anders. Auch er bewertete die Zuwendung des Grundstücks als Vermächtnis. Hinsichtlich der vertraglichen Vereinbarung sei dem Hausarzt auch ein standesrechtlicher Verstoß gegen § 32 Abs. 1 Satz 1 der Berufsordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe vorzuwerfen, die die Annahme solcher Zuwendungen im Regelfall verbiete. Dieser berufsrechtliche Verstoß führe aber nicht zu einer Unwirksamkeit des Vermächtnisses.
Berufsordnung regelt lediglich Verhältnis zwischen Arzt und Ärztekammer
Bei seiner Beurteilung stellte der BGH auf §§ 134, 2171 Abs. 1 BGB ab, wonach ein Vermächtnis unwirksam ist, wenn es gegen ein gesetzliches Verbot verstößt. Die Berufsordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe enthalte aber kein gesetzliches Verbot mit Wirkung für den Erblasser. Die Berufsordnung sei eine standesrechtliche Verordnung, die lediglich das Verhältnis zwischen dem Arzt und der Ärztekammer regle, nicht aber das Verhältnis zwischen Arzt und Patient. Die Berufsordnung entfalte auch keine Schutzwirkung gegenüber den Patienten und deren Angehörigen im Hinblick mögliche erbrechtliche Folgen. Die Berufsordnung ziele darauf ab, die Unabhängigkeit der behandelnden Ärzte sowie das Ansehen und die Integrität der Ärzteschaft zu sichern.
Testierfreiheit verfassungsrechtlich geschützt
Schließlich verbiete es die durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Testierfreiheit, ein zugunsten des behandelnden Arztes angeordnetes Vermächtnis wegen Verstoßes gegen eine standesrechtliche Berufsordnung für unwirksam zu erklären. Für eine Beschränkung der Testierfreiheit des Patienten enthalte die Berufsordnung der Ärzte keine ausreichende gesetzliche Grundlage. Eine Einschränkung der Testierfreiheit sei nur durch den Gesetzgeber in einem ordnungsgemäß verabschiedeten Parlamentsgesetz möglich, nicht aber durch eine von einem Berufsverband gesetzte Norm.
Ärztekammer hat standesrechtliche Sanktionsmöglichkeiten
Schließlich sei ein Eingriff in die Testierfreiheit durch eine berufsrechtliche Norm auch unverhältnismäßig. Das Interesse eines Patienten, eine Verfügung von Todes wegen frei von Druck des behandelnden Arztes errichten zu können, könne einen so weitgehenden Eingriff nicht rechtfertigen. Im Übrigen habe die Ärztekammer hinreichende Möglichkeiten, die Einhaltung der Berufsordnung durch standesrechtliche Sanktionen sicherzustellen.
Vorinstanz muss noch mögliche Sittenwidrigkeit prüfen
Im Ergebnis war die Revision gegen die Entscheidung der Vorinstanz damit erfolgreich. Allerdings hat der BGH die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Den Parteien müsse noch Gelegenheit gegeben werden, zu dem von der Vorinstanz bislang nicht geprüften aber möglichen Verstoß der in dem Erbvertrag getroffenen Vereinbarungen gegen die guten Sitten Stellung zu nehmen.
(BGH, Urteil v. 2.7.2025, IV ZR 93/24)
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