Illegale Musikdownloads - wann haften Eltern für ihre Kinder?

Wer weiß schon, was der Nachwuchs im Jugendzimmer am PC treibt? Die Sorgen sind vielfältig und auch die BGH-Rechtsprechung zur Elternhaftung bei illegalen Downloads ihrer Kinder bleibt differenziert. In drei neuen Entscheidungen zum Filesharing hat der BGH die Elternhaftung bejaht. Doch sie greift nicht immer.

Der BGH hatte über insgesamt drei Fälle zum so genannten Filesharing zu entscheiden. Im Unterschied zum Download durch Streaming werden beim Filesharing Musik- oder Filmtitel aus dem Internet heruntergeladen und dabei gleichzeitig über den PC des Downloaders anderen Internet-Usern zum weiteren Download Verfügung gestellt. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH eine Urheberrechtsverletzung (BGH Urteil v. 12.5.12010, I ZR 121/08 Sommer des Lebens).


Klagen gegen mehrere User

In den nun entschiedenen Fällen hatten die Labels Warner Music, Sony, Universal Music und EMI mehrere Familien verklagt, weil sie im Filesharingmodus Musiktitel anderen Usern im Internet zum Download zur Verfügung gestellt hätten.

In allen drei Fällen gaben die Beklagten an, der Download könne allenfalls durch ihre minderjährigen Kinder veranlasst worden sein.

  • Im einen Fall hatten die Eltern sich zum Zeitpunkt des Downloads angeblich auf der Ferieninsel Mallorca aufgehalten,
  • im anderen Fall hatte die allein erziehende Mutter ihre minderjährige Tochter angeblich eindringlich belehrt, dass ein solcher Download verboten sei. 

Einwendungen der Eltern als „Ausreden“ gewertet

Der BGH hielt die Angaben der Eltern in sämtlichen Fällen für nicht glaubhaft. In einem Fall hatte die Tochter bereits bei ihrer Vernehmung vor der Polizei im parallel eingeleiteten Strafverfahren zugegeben, im Jahr 2007 illegal Musik über eine Online-Börse gedownloaded zu haben. Von einer Aufklärung durch ihre Mutter über ein Verbot hatte sie nichts erwähnt. Der alleinerziehenden Mutter gelang es denn auch nicht, nachzuweisen, ihre Tochter hinreichend aufgeklärt zu haben.


200 Euro je raubkopierten Musiktitel

Im anderen Fall konnte die Familie ihren Aufenthalt auf Mallorca nicht plausibel belegen. Der BGH nahm in keinem Fall den Eltern die „Ausreden“ ab und besiegelte die bereits in den Vorinstanzen erfolgte Verurteilung zur Unterlassung und Schadensersatz in Höhe von 200 Euro je raubkopierten Musiktitel (BGH Urteile v. 11.6.2015, I ZR 19/14; 21/14; 75/14).

Belehrungspflicht der Eltern

Die Entscheidungen des für das Urheberrecht zuständigen BGH-Senats sind vor dem Hintergrund eines Urteils aus dem Jahre 2012 zu sehen. Dort hatte der 1. Senat entschieden, dass Eltern grundsätzlich nicht für illegale Downloads ihrer Kinder minderjährigen Kinder haften, wenn diese ausreichend darüber belehrt wurden, dass Musik nicht illegal heruntergeladen werden darf. Im damaligen Urteil stellten die Richter darüber hinaus ausdrücklich klar, dass Eltern nicht verpflichtet sind, ständig die Nutzung des Internets durch ihre Kinder zu überwachen oder deren PC`s auf illegale Downloads zu überprüfen oder gar einem minderjährigen Kind den Zugang zum Internet zu versperren.


Bei volljährigen Kindern ist die Beurteilung völlig anders

Der BGH beurteilt die Haftung der Eltern für illegale Downloads ihrer volljährigen Kinder nach anderen Grundsätzen. In einem vom BGH entschiedenen Fall wurde ein Polizist in Anspruch genommen, der – ironischerweise - auf Verfolgung von Internet-Kriminalität spezialisiert war. Sein zwanzigjähriger Stiefsohn, der in seinem Haushalt lebte, erhielt eine Abmahnung, weil er illegal 3.749 Musikdateien heruntergeladen haben soll. Der Polizist verweigerte die Zahlung des geforderten Schadensersatzes in Höhe von 3.454,60 Euro.

Er sah sich nicht als Verantwortlicher für seinen erwachsenen Sohn. Nachdem der Polizist zunächst in zwei Instanzen zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt worden war entschied der BGH, dass Eltern gegenüber ihren erwachsenen Kindern regelmäßig keine besondere Aufsichtspflicht haben, jedenfalls solange nicht konkrete Verdachtsmomente für ein widerrechtliches Verhalten bestünden.

Erwachsene Kinder seien für ihr Tun grundsätzlich selbst verantwortlich. Der BGH wies die Klage der Konzerne auf Schadenersatz gegen den Polizisten ab (BGH, Urteil v. 8.1.2014, I ZR 169/12 BearShare).


Conclusio:

Zusammenfassend lassen sich aus den bisher getroffenen Entscheidungen des BGH für die Elternhaftung folgende Grundsätze aufstellen:

  • Eltern dürfen ihren minderjährigen Kindern die Nutzung des Internets grundsätzlich erlauben.
  • Eltern genügen ihre Aufsichtspflicht  über ein normal entwickeltes, 13 jähriges Kind bereits dadurch, dass sie dieses über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internet-Tauschbörsen belehren und ihm die Teilnahme verbieten.
  • Die Art und Form der Belehrung hat sich am Alter, dem Entwicklungsstand und der Einsichtsfähigkeit des Kindes zu orientieren.
  • Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internets durch ihr Kind ständig zu überwachen oder den Zugang zum Internet zu versperren, besteht nicht.
  • Sollte sich ein konkreter Anlass ergeben, anzunehmen, dass das Kind sich rechtswidrig an Tauschbörsen beteiligt, sind die Eltern zur Ergreifung geeigneter Maßnahmen bis hin zu einer Zugangssperre verpflichtet.
  • Ein volljähriges Kindes ist in der Regel für sein Tun selbst verantwortlich, die Eltern können regelmäßig nicht haftbar gemacht werden. Auch hier liegt der Fall anders, wenn ein konkreter Anlass für die Annahme rechtswidriger Handlungen besteht. 

Eine spannende Frage für die Zukunft

Spannend für die Zukunft könnte die Frage sein, ob ein minderjähriges Kind, das ordnungsgemäß belehrt wurde und aufgrund seiner Einsichtsfähigkeit die Rechtswidrigkeit eines Downloads erkennen konnte, möglicherweise selbst haftet und auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden kann. Dies wäre eine möglicherweise logische Schlussfolgerung der bisherigen Rechtsprechung. Eine höchstrichterliche Entscheidung hierzu ist bisher nicht ersichtlich.


Schlagworte zum Thema:  Urheberrecht, Haftung