Gesteigerte Aufsichtspflicht bei gefährlichem Spielzeug

Kinder unter 14 Jahren dürfen nicht unbeaufsichtigt mit Softair-Pistolen spielen. Lässt der zur Aufsicht Verpflichtete dies dennoch zu, so ist er für den gesamten daraus entstehenden Schaden verantwortlich – und zwar lebenslang.

Das OLG Oldenburg hatte über das traurige Ergebnis eines Spiels von Kindern im Alter zwischen 10 und 13 Jahren zu entscheiden. Der dreizehnjährige Sohn der Beklagten und ein weiteres Kind spielten mit so genannten Softair-Pistolen.

Ohne Schutzbrillen mit Softair-Pistolen gespielt

Durch leichten Luftdruck können damit farbige Gummikugeln abgeschossen werden. Die Hersteller von Softair-Pistolen empfehlen das Tragen einer Schutzbrille während des Spiels. Der Sohn der Beklagten hatte eine solche Schutzbrille aufgesetzt. Zwei weitere Kinder, die an dem Spiel ebenfalls teilnahm, besaßen eine solche Schutzbrille nicht, auch nicht der zehnjährige Kläger.

Das Spiel ging ins Auge

Während des Spiels kam es dann so wie es kommen musste: Eine der Farbkugeln traf unglücklich das linke Auge des Klägers. Dies führte zu einer nicht unerheblichen Augenverletzung mit Dauerfolgen.

Umfassende Aufsichtspflicht mit hoher Kontrolldichte

Wie schon zuvor das LG stellte in zweiter Instanz auch der Senat des OLG darauf ab, dass die erforderliche Intensität der Aufsichtspflicht gesteigert sei, wenn Kinder mit Wissen des Aufsichtspflichtigen potenziell gefährliches Spielzeug benutzen.

Nicht umsonst, habe der Sohn der Klägerin eine Schutzbrille getragen. Bei der Verwendung solcher gefährlichen Spielzeuge umfasse die erforderliche Kontrolldichte der Aufsicht auch den Schutz anderer, möglicherweise betroffener Kinder. Den Aufsichtspflichtigen treffe in solchen Fällen eine umfassende Fürsorgepflicht darauf zu achten, dass andere Kinder nicht geschädigt werden können.

Diese Kontrolldichte sei nur gewahrt, wenn der Aufsichtspflichtige so dicht am Geschehen bleibe, dass er jederzeit eingreifen und Gefahren entschärfen könne.

Allgemeine Anweisung genügt nicht

Die Beklagte hatte zwar unwidersprochen ihren Sohn angewiesen, darauf zu achten, dass nur Kinder mitspielen, die ebenfalls eine Schutzbrille tragen. Diese allgemeine Anweisung genügte dem Gericht aber nicht. Insbesondere habe der Beklagten klar sein müssen, dass ihr dreizehnjähriger Sohn kaum in der Lage sein würde, solche Anweisungen gegenüber anderen Kindern, die sich möglicherweise weigerten, durchzusetzen.

An der erforderlichen unmittelbaren Kontrolle habe es die Beklagte fehlen lassen. Tatsächlich habe der Sohn der Beklagten frei schalten und walten können. Hierbei hätte der Beklagten nach Auffassung der Richter klar sein müssen, dass 13-jährige Jugendliche beim Einsatz von Softair-Waffen ein Wettkampfgefühl und „übersteigerten Jagdeifer“ entwickeln könne. Hier müsse der Aufsichtspflichtige unmittelbar dabei bleiben, um dies zu kontrollieren und gegebenenfalls eingreifen zu können.

Kein Mitverschulden

Der Pflichtversicherung der Beklagten wollte nur 25 % des vom Kläger geltend gemachten Schadens tragen, weil sie ein erhebliches Mitverschulden des Klägers sah. Demgegenüber vermochten die Richter ein haftungsrelevantes Mitverschulden des verletzten Kindes nicht festzustellen.

  • Zwar habe auch das verletzte Kind gewusst, dass das Spiel mit Softair-Pistolen nicht ungefährlich ist.
  • Vorliegend präge jedoch die Verantwortlichkeit der ihre Aufsichtspflicht verletzenden Mutter den Geschehensablauf auf eine so dominante  Art, dass der Aspekt des Mitverschuldens nicht ins Gewicht falle.
  • Maßgebliche Ursache für den zur Verletzung führenden Geschehensablauf sei zuvörderst die schwerwiegende Verletzung der Aufsichtspflicht durch die Mutter gewesen.

Lebenslange Haftung für Folgeschäden

Zu Gunsten des Opfers stellte das Gericht ausdrücklich fest, dass die Beklagte auch für alle zukünftigen Schäden haftet. Dies bedeutet ein erhebliches zukünftiges Haftungsrisiko für die Beklagte. Nach den Feststellungen des vom Gericht hinzugezogenen Sachverständigen kann nach 10-20 Jahren eine Operation des Opfers wegen vorzeitiger Linsentrübung erforderlich werden.

Die Eignung des Opfers für bestimmte Berufe wie Pilot oder Schiffsführer könne eingeschränkt sein. Hierdurch entstehende Schäden wie zum Beispiel auch Verdienstausfälle sind ggflls von der Beklagten zu ersetzen. Auch weitere Schmerzensgeldansprüche sind zukünftig denkbar. Der Sachverständige hatte insoweit auf die durch die Verletzung entstandene höhere Lichtempfindlichkeit des linken Auges hingewiesen. Dies könne im Alter zu chronischen Bindehautrötungen führen. Vorläufig bemaß das Gericht den Schmerzensgeldanspruch auf 5.000 EUR.

(OLG Oldenburg, Urteil v. 17.6.2014 1U 3/14).

Vgl. zum Thema Mitverschulden auch:

Schmerzensgeldbemessung bei Mitverschulden

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