Betreuung -  BGH lockert strenge Regeln für Unterhaltsempfänger

Bisher galt beim BGH: Wer nach der Scheidung gemeinsame Kinder betreut, die schon älter sind, muss Vollzeit arbeiten gehen und hat keinen Anspruch auf Unterhalt vom Ex. Von dieser harten Linie weichen die BGH-Richter jetzt ab.

Ein Grundsatz mit Ausnahmen: Nach der Scheidung sorgt jeder für sich selbst

Grundsätzlich gilt: Wer geschieden ist, muss für seinen Unterhalt selbst sorgen. Kann er das nicht, muss er sich eine geeignete Arbeit suchen. Zu dieser strengen Arbeitspflicht, die seit der Unterhaltsrechtsreform 2008 gilt, gibt es im Gesetz wenige Ausnahmen. So kann derjenige Ex-Partner, der gemeinsame Kinder unter drei Jahren betreut, so lange auf Arbeit verzichten, bis das jüngste Kind drei Jahre alt wird. Ab dem dritten Geburtstag muss er dann aber arbeiten gehen – und zwar Vollzeit.

Auch davon gibt es wieder eine Ausnahme: Vollzeit muss nur sein, soweit es die Kinderbetreuung zulässt. Das heißt: Gibt es keine Möglichkeit, das Kind den ganzen Tag in Fremdbetreuung zu geben, dann entfällt auch die Pflicht zum Ganztagesjob. Die Pflicht entfällt auch, wenn kindbezogene Gründe vorliegen, die eine Vollzeittätigkeit ausschließen, so etwa wenn das Kind besonders betreuungsbedürftig ist.

Dies hat der BGH bei älteren Kindern bisher immer nur dann angenommen, wenn besondere kindbezogene Umstände vorlagen, die eine Betreuung durch ein Elternteil rechtfertigten, so z.B. wenn ein Kind krank ist. In einem aktuellen Urteil haben die BGH-Richter diese strikte Linie jetzt aufgegeben:

3 Kinder: 30 Stunden wöchentlich genügen

Ein Mann hatte auf Wegfall des nachehelichen Unterhalts für seine Frau geklagt. Er zahlte dieser monatlich mehr als 900 EUR plus Unterhalt für seine drei Kinder, heute 19, 17 und 14 Jahre alt. Mit seinem Argument, seine Frau müsse ihre Tätigkeit von derzeit 30 Stunden wöchentlich auf eine Vollzeittätigkeit aufstocken, unterlag er jedoch letztlich vor dem BGH.

Auch wichtig: Sportverein, Musikunterricht oder anderen Hobbys

Seine Ex-Frau hatte den Richtern dargelegt, sie müsse die Kinder am Nachmittag nach der Schule jeweils zu den bis zu 15 km entfernt gelegenen Sportkursen fahren und könne daher keine Vollzeittätigkeit ausüben. Da man auf dem Land wohne, könnten die Kinder auch nicht allein zu den Kursen gelangen. Die BGH-Richter ließen diese Begründung gelten: Sofern Kinder nicht selbstständig zu ihrem Sportverein, dem Musikunterricht oder anderen Hobbys fahren könnten, sei die von einem Elternteil aufzubringende Fahrt- und Betreuungszeit zu berücksichtigen.

Dies seien kindbezogene Gründe, urteilte der BGH, die eine Vollzeittätigkeit der Mutter ausschließen. An die Darlegungspflicht für solche Gründe seien angesichts dreier minderjähriger Kinder und der Fahrdienste an Nachmittagen keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Die Richter verpflichteten daher den Mann, auch weiterhin Unterhalt für seine Ex-Frau zu zahlen.

(BGH, Urteil v. 18.04.2012, XII ZR 65/10).

Praxishinweis: Unterhaltspflichtige sollten sich also bei älteren Kindern künftig nicht mehr automatisch darauf verlassen, dass der betreuende Ex-Partner eine Vollzeittätigkeit ausüben muss.

Schlagworte zum Thema:  Unterhalt, Kindeswohl