Ein Zurückbehaltungsrecht entsteht bei Vorliegen eines gegenseitigen Vertrags (Abschn. 2.1.1), bei einem Gegenseitigkeitsverhältnis der Ansprüche (Abschn. 2.1.2) sowie wenn die Gegenforderung einredefrei (Abschn. 2.1.3) ist.

2.1.1 Gegenseitiger Vertrag

Die Einrede des nicht erfüllten Vertrags ist lediglich dann statthaft, wenn es sich bei dem rechtlichen Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner um einen gegenseitigen Vertrag handelt. Dies gilt ungeachtet der geltend gemachten Forderung des Gläubigers und der angestrengten Gegenforderung des Schuldners.

Bei einem Mietvertrag handelt es sich um einen gegenseitigen Vertrag. Denn sein Inhalt ist typischerweise durch die Hauptleistungspflichten des Vermieters, dem Mieter

und die Hauptleistungspflicht des Mieters,

bestimmt. Charakteristisch für den Mietvertrag ist zudem, dass diese (Hauptleistungs-)Pflicht der einen Mietvertragspartei um der (Hauptleistungs-)Pflicht der anderen Mietvertragspartei willen übernommen wird.

 
Wichtig

Gegenseitigkeit bleibt erhalten

An dem gegenseitigen Charakter eines Mietvertrags ändert sich nichts, wenn die Schönheitsreparaturpflicht und damit ein Teilbereich der vermieterseitigen Instandhaltungspflichten auf den Mieter abgewälzt wird.[1]

Ebenso schadet auch es nicht, wenn die Mietvertragsparteien, entgegen der gängigen Mietvertragspraxis, eine andere Art der Entrichtung der Miete vereinbaren als die periodisch wiederkehrende Zahlung eines Geldbetrags.

Der Annahme eines Mietvertrags steht daher eine Vereinbarung nicht entgegen, nach der die mieterseitige Pflicht zur Entrichtung der Miete

  • in einer einmaligen Zahlung oder Leistung[2],
  • in anderer Art als in der Zahlung eines Geldbetrags[3] besteht oder aber
  • eine hybride Miete vorsieht, bei der neben der Zahlung eines Geldbetrags kleinere Dienstleistungen[4]

zu erbringen sind.

[1] Zur Definition des Begriffs der Schönheitsreparaturen bezieht sich der BGH in ständiger Rechtsprechung auch bei preisfreiem Wohnraum auf § 28 Abs. 4 Satz 3 der Zweiten BerechnungsVO (s. nur BGH, Urteil v. 13.1.2010, VIII ZR 48/09, NJW 2010, 674; BGH, Beschluss v. 30.10.1984, VIII ARZ 1/84, BGHZ 92, 363, 368), nach dem Schönheitsreparaturen nur "das Tapezieren, Anstreichen oder Kalken der Wände und Decken, das Streichen der Fußböden, Heizkörper einschließlich Heizrohre, der Innentüren sowie der Fenster und Außentüren von innen" umfassen.
[2] Vgl. zur sog. Einmalmiete BGH, Urteil v. 5.11.1997, VIII ZR 55/97, NJW 1998, 595.
[3] S. etwa BGH, Urteil v. 20.5.1994, V ZR 292/92, NJW-RR 1994, 971, bei dem die Gebrauchsüberlassung eines Grundstücks als Gegenleistung anerkannt wurde; vgl. im Übrigen OLG Düsseldorf, Beschluss v. 1.10.2021, 24 U 301/20, BeckRS 2021, 33748 zu dem häufiger anzutreffenden Fall einer sog. Hausmeisterwohnung, bei dem der Mieter umfangreiche Dienstleistungsverpflichtungen übernimmt.
[4] Z. B. Treppenreinigung.

2.1.2 Gegenseitigkeitsverhältnis der Ansprüche

Gegenstand der Einrede des nicht erfüllten Vertrags können lediglich Hauptleistungspflichten sein, die in einem synallagmatischen Gegenseitigkeitesverhältnis zueinander stehen. Daher kann die Einrede nur dann erhoben werden, wenn der Vertragspartner die Bewirkung der eigenen Hauptleistung verweigert, weil die ihm selbst geschuldete Hauptleistung noch nicht bewirkt wurde.

Bei einem Mietvertrag stehen sich typischerweise die Hauptleistungspflicht des Mieters zur Entrichtung der Miete[1] und die Hauptleistungspflichten des Vermieters zur Gewährung des Gebrauchs der Mietsache sowie ihre Instandsetzung und -haltung gegenüber.

 
Wichtig

Zurückbehaltungsrecht bei fehlender Gebrauchsüberlassung?

Allerdings sind aufgrund des Charakters des Mietvertrags als Dauerschuldverhältnis die Grundsätze der Einrede des nicht erfüllten Vertrags im Falle eines Mietvertrags nur eingeschränkt anwendbar:

So ist etwa die Gebrauchsgewährungspflicht des Vermieters ein sog. absolutes Fixgeschäft. Dies hat zur Folge, dass für die Mietzeit, in der entgegen der vertraglichen Vereinbarung dem Mieter der Gebrauch der Mietsache nicht gewährt wurde, nach § 275 Abs. 1 BGB die Gebrauchsgewährung durch Zeitablauf nachträglich unmöglich geworden ist[2], sodass der Mieter aufgrund der Unmöglichkeit von der Mietzahlungspflicht nach § 326 Abs. 1 Hs. 1 BGB ohnehin befreit ist und es von vornherein für die Einrede des nicht erfüllten Vertrags keinen Raum gibt.

Ansprüche des Mieters

Über den einfachen Gebrauchsgewährungsanspruch hinaus hat der Mieter zudem einen Anspruch darauf, dass die überlassene Mietsache einen Zustand aufweist, der ihren vertragsgemäßen Gebrauch zulässt. Dieser Zustand der Mietsache muss bereits zum Zeitpunkt der Übergabe vorliegen und während des Bestehens des Mietverhä...

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