ZPO § 114 Abs. 1 S. 1 § 321; RVG § 48 Abs. 1

Leitsatz

1. Der ASt. kann den gem. § 141 Abs. 1 S. 1 ZPO erforderlichen Antrag für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch konkludent stellen. Das Gericht hat dann bei Entscheidungs- und Bewilligungsreife zu ermitteln, in welchem Umfang der ASt. Prozesskostenhilfe begehrt. Bei Unklarheiten muss das Gericht in entsprechender Anwendung von § 139 ZPO nachfragen.

2. Wird vor der Entscheidung über den Prozesskostenhilfe-Antrag zwischen den Parteien ein gerichtlicher Vergleich über bisher nicht rechtshängige Gegenstände geschlossen, ist regelmäßig davon auszugehen, dass die bedürftige Partei Prozesskostenhilfe nicht nur für die bereits rechtshängigen Streitgegenstände begehrt, die durch diesen Vergleich erledigt werden, sondern auch für die weiteren durch den Vergleich miterledigten Streitpunkte.

3. Hat das Gericht einen von dem Bedürftigen gestellten Prozesskostenhilfe-Antrag teilweise übergangen, kommt eine Ergänzung entsprechend § 321 ZPO in Betracht.

(Leitsätze der Schriftleitung)

BAG, Beschl. v. 30.4.2014 – 10 AZB 13/14

Sachverhalt

Die Kl. hatte gegen den Bekl. vor dem ArbG Klage auf Zahlung von Vergütung für die Monate Februar bis einschließlich Juni 2013 erhoben. Mit der Klageerwiderung v. 21.6.2013 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Bekl., diesem Prozesskostenhilfe unter seiner Beiordnung zu bewilligen. Gleichzeitig kündigte er die Nachreichung einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an. Nach Abschluss eines Teilvergleichs im ersten Gütetermin am 26.6.2013 schlossen die Parteien im zweiten Gütetermin am 10.7.2013 einen Prozessvergleich, durch den sie den Rechtsstreit sowie weitere, bisher nicht rechtshängige Gegenstände erledigten. Im zweiten Gütetermin gab das ArbG dem Bekl. auf, die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bis zum 31.7.2013 einzureichen. Nachdem der Bekl. dem nachgekommen war, bewilligte das ArbG mit Beschluss v. 18.7.2013 dem Bekl. mit Wirkung v. 21.6.2013 Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug und ordnete seinen Rechtsanwalt bei. Durch Beschluss v. 15.8.2013 setzte das ArbG den Gegenstandswert für das Verfahren auf 1.051,98 EUR und für den Vergleich auf 17.900,43 EUR fest.

Mit Schriftsatz v. 6.9.2013 – beim ArbG am 9.9.2013 eingegangen – beantragte der Bekl., die Prozesskostenhilfe auf den Mehrwert des Vergleichs zu erstrecken. Das ArbG wies diesen Antrag zurück. Die eingelegte sofortige Beschwerde des Bekl. hatte beim LAG keinen Erfolg. Das BAG hat die zugelassene Rechtsbeschwerde des Bekl. zurückgewiesen.

2 Aus den Gründen:

[7] "… II. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben den Antrag des Bekl. v. 6.9.2013 im Ergebnis zu Recht abgelehnt."

[8] 1. Soweit der Antrag als eigenständiger Antrag auf eine Erweiterung der Prozesskostenhilfe zu verstehen ist, wofür sein Wortlaut spricht, wäre er nach Abschluss der Instanz gestellt worden. Eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe konnte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr erfolgen. Hiervon gehen die Vorinstanzen zutreffend aus.

[9] a) Nach § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO (bis 31.12.2013: § 114 S. 1 ZPO) kann Prozesskostenhilfe lediglich für eine “beabsichtigte‘ Rechtsverfolgung gewährt werden. Eine Rückwirkung der Bewilligung ist grds. ausgeschlossen. Jedoch kann die Rückwirkung bis zu dem Zeitpunkt erstreckt werden, in dem der ASt. durch einen formgerechten Bewilligungsantrag von seiner Seite aus alles für die Bewilligung Erforderliche oder Zumutbare getan hat. Soweit die Voraussetzungen einer rückwirkenden Bewilligung vorliegen, sind aus der Staatskasse Tätigkeiten des beigeordneten Rechtsanwalts zu vergüten, die dieser auf die Hauptsache bezogen bei oder nach dem Eingang des Prozesskostenhilfeantrags erbracht hat. Nach Abschluss der Instanz ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht mehr möglich.

Diese Begrenzung der Rückwirkung folgt aus dem Zweck der Prozesskostenhilfe. Der mittellosen Partei sollen die Prozesshandlungen ermöglicht werden, die für sie mit Kosten verbunden sind. Haben jedoch die Partei bzw. deren Prozessbevollmächtigter die aus ihrer Sicht notwendigen Prozesshandlungen schon vor der ordnungsgemäßen Beantragung der Prozesskostenhilfe vorgenommen, so hängen diese Prozesshandlungen nicht mehr davon ab, dass die Partei zuvor die entsprechenden Kosten – etwa durch einen Vorschuss gem. § 9 RVG – deckt. Eine weiter rückwirkende Bewilligung diente nur noch dazu, einem Prozessbevollmächtigten durch die nachträgliche Bewilligung von Prozesskostenhilfe einen Zahlungsanspruch gegen die Staatskasse zu verschaffen. Das ist nicht Zweck der Prozesskostenhilfe (st. Rspr., zuletzt BAG RVGreport 2012, 436 (Hansens) = zfs 2012, 465 m. Anm. Hansens).

[10] b) Nach diesen Grundsätzen kam eine Bewilligung oder Erweiterung der Prozesskostenhilfe aufgrund des Antrags v. 6.9.2013 nicht mehr in Betracht. Die Instanz war abgeschlossen; die Parteien hatten bereits am 10.7.2013 im zweiten Gütetermin vor dem ArbG einen unwiderruflichen Vergleich abgeschlossen.

[11] 2. S...

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