Der Entscheidung des HessVGH v. 21.5.2015 ist zuzustimmen. Die Ankündigung des Fahrzeughalters, wonach eine Mitarbeit bei der Ermittlung des Fahrzeugführers erfolgt, darf nicht ignoriert werden. Die in diesem Zusammenhang teilweise zu beobachtende behördliche Praxis, nach der von Behörden geradezu schon reflexartig und schematisch ein Fahrtenbuch angeordnet wird, verbietet sich.

Ungeachtet der Problematik um das Recht auf Akteneinsicht für Zeugen im Ordnungswidrigkeitenverfahren (vgl. hierzu: § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 475 StPO, HessVGH, Beschl. v. 5.3.2008 – 2 TG 2478/07, m.w.N.; VG Berlin, Urt. v. 25.1.2012 – 11 K 441.11; VG Oldenburg, Beschl. v. 8.6.2015 – 7 B 2129/15) stellt der HessVGH hierzu zunächst fest, dass "hinreichende Gründe, die einer Einsichtnahme in die hier nicht sehr umfangreichen Akten durch den Bevollmächtigten der ASt. nach den Umständen des Einzelfalls entgegengestanden haben könnten, nicht erkennbar" sind.

Die Feststellung des Fahrzeugführers darf behördlicherseits nicht unzureichend betrieben werden. Zu einem angemessenen Ermittlungsaufwand gehört grds. die unverzügliche, d.h. regelmäßig innerhalb von zwei Wochen erfolgte Benachrichtigung des Fahrzeughalters von der mit seinem Fahrzeug begangenen Zuwiderhandlung (st. Rspr., erstmals BVerwG, Urt. v. 13.10.1978 – VII C 77.74, NJW 1979, 1054; Beschl. v. 25.6.1987 – 7 B 139/87, Buchholz 442.16, § 31a StVZO Nr. 17; zu Einzelheiten vgl. NK-GVR/Haus § 31a StVZO Rn 61 f. m.w.N.).

Es müssen von der Behörde alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen bzw. Ermittlungen angestellt werden, die erfahrungsgemäß auch Erfolg haben können (BVerwGE 18, 107 ff.; BVerwG NJW 1987, 143; DAR 1988, 68; zfs 1994, 70; VGH Bad.-Württ. NJW 1992, 132; VG d. Saarl. zfs 1995, 158; 1997, 318; VG Osnabrück zfs 1997, 159; NdsOVG zfs 2013, 236). Art und Ausmaß der Ermittlungen hängen insb. von der Art des jeweiligen Verkehrsverstoßes und der Bereitschaft des Kfz-Halters zur Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrers ab. Dabei darf die Behörde den Umfang ihrer Ermittlungen insb. auch an den Erklärungen des Halters – bei anwaltlicher Vertretung an den Erklärungen des RA – ausrichten (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urt. v. 17.12.1982 – 7 C 3.80, Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 12; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 1.10.1992 – 10 S 2173/92, NZV 1993, 47; Beschl. v. 23.8.1996 – 10 S 1867/96, NZV 1996, 470; zfs 1997, 438 = NZV 1998, 47; zfs 2000, 178). Dies hat dann aber auch für eine mit der beantragten Akteneinsicht verbundene Ankündigung einer abschließenden Stellungnahme zu gelten, die die Frage einer solchen Mitwirkung zumindest zunächst noch offen hält (HessVGH, Beschl. v. 21.5.2015 – 2 B 4/15).

Wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen sind demgegenüber nicht zumutbar (BVerwG zfs 1994, 70; 1992, 286; NdsOVG zfs 2003, 526; HessVGH DAR 2006, 290). So ist eine Unmöglichkeit der Täterermittlung regelmäßig dann anzunehmen, wenn sich der befragte Fahrzeughalter erkennbar weigert, an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes sachdienlich mitzuwirken (VG München DAR 1991, 473), wobei dabei darauf abgestellt werden darf, dass der Prozessbevollmächtigte des Betr. der Bußgeldbehörde mitgeteilt hat, dass eine Stellungnahme zur Sache nicht abgegeben wird (Bad.-Württ. zfs 1997, 438 = NZV 1998, 47). Eine fehlende Mitwirkungsbereitschaft des Halters kann regelmäßig aber erst dann angenommen werden, wenn der Halter in Kenntnis des Ermittlungsstandes der Behörde an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes nicht mitwirkt (OVG Bremen NZV 1994, 168). Im Anschluss an ein anwaltliches Schreiben, in dem es u.a. heißt, dass vor Einlassung zur Sache zunächst – nach Abschluss der Ermittlungen – Akteneinsicht erbeten wird, ist es der Behörde zuzumuten, vor Verjährung der Ordnungswidrigkeit weitere Ermittlungen zu betreiben. Es ist insb. sachgerecht, dass die Behörde den Betr. vor der Verjährung der Ordnungswidrigkeit mit einem inzwischen erweiterten Ermittlungsstand konfrontiert. Betreibt die Behörde dann nicht diese weiteren Ermittlungen, so ist die Feststellung des Fahrzeugführers nicht unmöglich i.S.d. § 31a Abs. 1 StVZO (VG Oldenburg zfs 1998, 357; vgl. jetzt auch HessVGH, Beschl. v. 21.5.2015 – 2 B 4/15). Überhaupt spricht dann, wenn es nicht fernliegend erscheint, dass aufgrund der Verfahrensweise der Ordnungswidrigkeitenbehörde die berechtigte Vermutung besteht, dass die Ordnungswidrigkeitenbehörde keine ausreichenden Anstrengungen unternommen hat, das Verfahren vor Eintritt der Verfolgungsverjährung abschließend zu bearbeiten, vieles dafür, dass die Feststellung des Fahrzeugführers unzureichend betrieben wurde. In einem solchen Fall kann nicht i.S.d. § 31a StVZO angenommen werden, dass die Feststellung des Fahrzeugführers bis zum Eintritt der Verfolgungsverjährung nicht möglich war (HessVGH, Beschl. v. 10.4.2014 – 2 B 390/14, zfs 2014, 418).

Verzögerte Ermittlungen der Behörde schließen die Anordnung der Behörde grds. nicht aus, wenn feststeht, dass die Verzögerung für die unter...

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