[3] “ … I. Das BG ist der Meinung, dem Kl. stehe der gegen den Haftpflichtversicherer geltend gemachte Schadensersatzanspruch unter verkehrsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu, was eine deliktische Haftung des VN der Bekl. für den Schaden nicht ausschließe. Das Schadensersatzbegehren des Kl. sei an der Vorschrift des § 7 StVG zu messen, dessen Anwendungsbereich vor dem Hintergrund seines Schutzzweckes weit auszulegen sei. Unter dem Gesichtspunkt des “Herausforderns’ komme bei Verfolgungsfahrten zwar eine Haftung grds. auch dann in Betracht, wenn der Schadenseintritt erst durch eine eigenverantwortlich gesetzte Ursache des geschädigten Dritten ausgelöst worden sei. Diesem Erfordernis des Herausforderns werde bereits genügt, wenn ein Kraftfahrer einer polizeilichen Anordnung nicht nachkomme und er sich einer gerechtfertigten Feststellung seiner Personalien durch Flucht zu entziehen versuche. Gleichwohl falle der im Streitfall geltend gemachte Schaden des Kl. nicht mehr unter den Normzweck des § 7 StVG. Denn die Polizeifahrzeuge seien hier als Mittel des unmittelbaren Zwangs eingesetzt worden, wobei den Fahrern bewusst gewesen sei, dass ihre eigenen Dienstfahrzeuge durch die von ihnen herbeigeführte Aktion zwangsläufig beschädigt werden würden. Die Beamten des klagenden Landes hätten in die Beschädigung ihrer eigenen Fahrzeuge eingewilligt, um ein rechtmäßiges hoheitliches Handeln durchzusetzen. Der dadurch entstandene Schaden könne nicht mehr in den Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 StVG fallen, weil sich eben keine Gefahr mehr verwirklicht habe, die von dem bei der Bekl. versicherten Fahrzeug ausgegangen sei. Die Kollisionsschäden seien nicht durch die Fahrweise des Fluchtwagens entstanden, sondern gelegentlich eines gerechtfertigten Einsatzes unmittelbaren Zwangs gegen einen Kraftfahrer, der zuvor eine Straftat begangen habe. Schadensursache sei mithin letztlich nicht mehr der “Betrieb’ des bei der Bekl. versicherten Fluchtfahrzeugs gewesen. Bei einer wertenden Betrachtung verbiete es sich, den Betriebsvorgang des Fluchtwagens hier mit einzubeziehen, weshalb die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 7 StVG nicht mehr vorlägen mit der weiteren Folge, dass nicht mehr in eine Abwägung der Verursachungsbeiträge einzutreten sei.

[4] II. Die Beurteilung des BG hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des BG kann ein Schadensersatzanspruch des klagenden Landes wegen des Schadens an den Polizeifahrzeugen nicht deshalb verneint werden, weil die Polizeibeamten die entstandenen Schäden dadurch selbst verursacht haben, dass sie das Fluchtfahrzeug vorsätzlich rammten, um die Verfolgungsjagd zu beenden.

[5] 1. Das BG hat zunächst übersehen, dass ein Direktanspruch gegen den beklagten Haftpflichtversicherer nach § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG auch wegen einer unerlaubten Handlung ihres VN i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB in Betracht kommt, wenn diese “durch den Gebrauch’ des versicherten Kfz erfolgt.

[6] Nach § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG kann der Dritte seinen Anspruch auf Schadensersatz auch gegen den VR geltend machen, wenn es sich um eine Haftpflichtversicherung zur Erfüllung einer nach dem PflVG bestehenden Versicherungspflicht handelt. Die Zulässigkeit einer Direktklage des Kl. gegen die Bekl. setzt mithin voraus, dass er einen Schadensersatzanspruch geltend macht, der im Rahmen der Kfz-Haftpflichtversicherung von der Bekl. gedeckt werden muss. Die Vorschrift des § 1 PflVG verpflichtet den Halter eines Kfz, eine Haftpflichtversicherung zur Deckung der “durch den Gebrauch des Fahrzeugs’ verursachten Personenschäden, Sachschäden und sonstigen Vermögensschäden abzuschließen und aufrechtzuerhalten. An das PfliVG knüpft § 10 Abs. 1 AKB an, wo es heißt, dass die Kfz-Haftpflichtversicherung diejenigen Schäden deckt, die “durch den Gebrauch des im Vertrag bezeichneten Fahrzeugs’ verursacht worden sind (vgl. Senat, Urt. v. 26.6.1979 – VI ZR 122/78, BGHZ 75, 45, 47; Beschl. v. 8.4.2008 – VI ZR 229/07, SP 2008, 338 und BGH, Urt. v. 10.7.1980 – IVa ZR 17/80, BGHZ 78, 52, 53 f.).

[7] Der Begriff des Gebrauchs schließt den Betrieb des Kfz i.S.d. § 7 StVG ein, geht aber auch darüber hinaus. Bei der Kfz-Haftpflichtversicherung ist das Interesse versichert, das der Versicherte daran hat, “durch den Gebrauch … des Fahrzeugs’ nicht mit Haftpflichtansprüchen belastet zu werden, gleich, ob diese auf § 7 StVG, den §§ 823 ff. BGB oder anderen Haftungsnormen beruhen (vgl. Senatsurt. v. 26.6.1979 – VI ZR 122/78, a.a.O. S. 48; BGH Urt. v. 23.2.1977 – IV ZR 59/76, VersR 1977, 418, 419 m.w.N.; Stiefel/Maier, AKB, 18. Aufl., A.1.1 Rn 23; s. auch Jacobsen, in: Feyock/Jacobsen/Lemor, Kraftfahrtversicherung, 3. Aufl., § 10 AKB Rn 19). Im Streitfall hat der VN der Bekl. das versicherte Kfz als Fluchtfahrzeug “gebraucht’, um sich einer Polizeikontrolle bzw. einer vorläufigen Festnahme zu entziehen. Die bewusst herbeigeführte Kollision mit einem Polizeifahrzeug, um ihn zu stoppen, stand deshalb in unmittelbarem Zusammenhang mit dem konk...

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