Die Entscheidung des BGH bedarf einiger Anmerkungen.

I. Dieselbe Angelegenheit bei mehreren Verfahrensabschnitten

Zurecht weist der BGH darauf hin, dass Tätigkeiten des Prozessbevollmächtigten oder Verfahrensbevollmächtigten, die mehrere Verfahrensabschnitte betreffen, in manchen Fällen zu einer gebührenrechtlichen Angelegenheit zusammengefasst werden. Dies kommt in der Praxis gar nicht einmal so selten vor und hat dann auch Auswirkungen auf die Kostenfestsetzung, wie die beiden nachfolgenden Beispiele belegen.

So können unterschiedliche Kostenentscheidungen im Verfahren auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs und auf deren Änderung nach § 80 Abs. 5 und Abs. 7 VwGO ergehen. In so einem Fall kann jeder Beteiligte aus der für ihn günstigeren Kostenentscheidung die Rechtsanwaltskosten gegen den jeweiligen Verfahrensgegner festsetzen lassen, obwohl es sich gebührenrechtlich gem. § 16 Nr. 5 RVG um eine einzige Angelegenheit handelt (OVG NRW RVGreport 2017, 190 [Hansens]; VG Karlsruhe RVGreport 2015, 468 [ders.]).
Gleiches gilt für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung oder eines Arrestes und das nachfolgende Verfahren gem. § 927 ZPO auf Aufhebung der ergangenen Entscheidung. Beide Verfahrensabschnitte sind gem. § 16 Nr. 6 RVG gebührenrechtlich zwar dieselbe Angelegenheit. Sind in diesen beiden Verfahrensabschnitten jedoch unterschiedliche Kostenentscheidungen ergangen, so kann sich jede Partei auf die ihr günstigere Kostenentscheidung berufen (KG JurBüro 1979, 542; OLG München JurBüro 1987, 712; OLG Schleswig AGS 1995, 67). Im Falle des Erlasses einer einstweiligen Verfügung und bei Erhebung eines Widerspruchs hiergegen können in den einzelnen Verfahrensabschnitten allerdings keine gegenläufigen Kostenentscheidungen ergehen. Entweder wird der Widerspruch als unzulässig verworfen oder er wird zurückgenommen oder die einstweilige Verfügung wird bestätigt. Dann werden dem AG die weiteren Kosten des Verfügungsverfahrens auferlegt. Oder die einstweilige Verfügung wird auf den Widerspruch hin aufgehoben. Dann werden die Kosten des (gesamten) einstweiligen Verfügungsverfahrens dem ASt. auferlegt.

II. Zeitlicher Anwendungsbereich der Kostenentscheidung

Der Auffassung des BGH, die Kostengrundentscheidung könne ihr zeitlich nachfolgende Verfahrensabschnitte schon formal nicht erfassen, kann ich in dieser Allgemeinheit nicht zustimmen. Es ist nämlich allgemein anerkannt, dass der zeitliche Anwendungsbereich der Kostengrundentscheidung nicht lediglich das gerichtliche Verfahren von seinem Beginn bis zum Erlass der Kostenentscheidung betrifft.

1. Vor Verfahrensbeginn entstandene Kosten

So ist allgemein anerkannt, dass die Kosten eines vorprozessual eingeholten und erstatteten Privatgutachtens als Kosten des Rechtsstreits i.S.v. § 91 Abs. 1 ZPO angesehen werden können, sofern sie unmittelbar prozessbezogen sind (BGH BRAGOreport 2003, 96 [Hansens] = AGS 2003, 178; BGH zfs 2008, 344 mit Anm. Hansens = RVGreport 2008, 191 [ders.]). Solche bereits vor Einleitung des Rechtsstreits angefallenen Kosten können dann aufgrund der im nachfolgenden Rechtsstreit ergehenden Kostenentscheidung festgesetzt werden. Gleiches gilt für die dem Prozessbevollmächtigten des Klägers bereits vor Einleitung des Rechtsstreits für die Entgegennahme der Information (siehe Vorbem. 3 Abs. 2 VV RVG) angefallene Verfahrensgebühr. Diese gehört auch dann zu den der Kostengrundentscheidung unterfallenden Kosten des Rechtsstreits, wenn der Kläger den Rechtsstreit später ohne anwaltliche Hilfe betreibt und somit nach Beginn des Rechtsstreits keine – weiteren – Anwaltskosten anfallen.

2. Tätigkeiten nach der Kostengrundentscheidung

Auch Tätigkeiten des Prozessbevollmächtigten nach Erlass der Kostengrundentscheidung werden formal von dieser Entscheidung erfasst. Bestellt etwa eine Partei den Prozessbevollmächtigten erst nach der mündlichen Verhandlung, in der die Kostenentscheidung ergangen ist, und besteht dessen Tätigkeit lediglich in der Zustellung des Urteils und der Beteiligung am Kostenfestsetzungsverfahren, so ist die hierdurch angefallene 0,8 Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Nr. 1 i.V.m. Nr. 3100 VV RVG grds. nach § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO erstattungsfähig. Die Anwaltskosten können dann aufgrund der vor der Tätigkeit des Rechtsanwalts ergangenen Kostenentscheidung festgesetzt werden (siehe den Fall des LG Berlin JurBüro 1985, 1867). Leider ist der BGH hier mit keinem Wort auf die seiner Auffassung entgegenstehende Rspr. eingegangen.

III. Hinweise für den Rechtsanwalt

Angesichts der den Anwendungsbereich der Kostengrundentscheidung stark einschränkenden Auffassung des BGH, die die Festsetzung der Terminsgebühr für Besprechungen ausschließt, sollte der Rechtsanwalt in vergleichbaren Fällen mit dem Gegner über die Erledigung des Verfahrens außergerichtlich einen Vergleich schließen, in dem auch die Kostenfrage geregelt ist. Dieser Vergleich sollte tunlichst schriftlich abgefasst werden. Die Kosten des außergerichtlichen Vergleichs gehö...

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