" … II. (1.) Der ASt. verfügt – auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstands – nicht über Versicherungsschutz aus einer Teilkaskoversicherung. Zwar besteht zwischen den Parteien aufgrund des von der AG unter dem 5.11.2014 ausgestellten Nachtragsversicherungsschein – auch – eine Teilkaskoversicherung. Die AG ist jedoch nach § 2 Abs. 2 S. 2 VVG leistungsfrei."

Danach ist ein VR nicht leistungspflichtig, wenn der VN bei Abgabe seiner Vertragserklärung davon Kenntnis hatte, dass ein Versicherungsfall schon eingetreten ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift muss allerdings der VR beweisen (BGH VersR 2000, 1133). Den Beweis der Kenntnis des Eintritts des Versicherungsfalls vor Abgabe der Vertragserklärung kann ein VR indessen nur erbringen, wenn feststeht, wann der VN seine Vertragserklärung abgegeben hat oder jedenfalls von einem bestimmten, vom VN behaupteten Zeitpunkt ausgegangen werden kann. Insoweit kann dahinstehen, ob sich die Darlegungs- und Beweislast des VR, der sich auf § 2 Abs. 2 S. 2 VVG beruft, nur auf den Zeitpunkt der Kenntnis des VN vom Eintritt des Versicherungsfalls erstreckt oder auch auf jenen der Abgabe der Vertragserklärung. Da sich dieser Zeitpunkt der Wahrnehmung des VR regelmäßig entzieht – im Streitfall hat die AG behauptet, sie habe die Vertragserklärung nicht vor dem 3.11.2014 erhalten – ist der VN in jedem Fall gehalten, substantiiert und plausibel darzulegen, wann und unter welchen Umständen er seine Vertragserklärung abgegeben haben will. Würde man das anders sehen, könnte sich ein VN der Rechtsfolge des § 2 Abs. 2 S. 2 VVG jederzeit dadurch entziehen, dass er schlicht einen vor dem Eintritt des Versicherungsfalls erfolgten – schriftlichen oder auch nur mündlichen – Antrag behauptet.

Der ASt. hat die Abgabe einer Vertragserklärung vor dem 3.11.2014 nicht schlüssig dargelegt. Im Gegenteil spricht alles dafür, dass es sich bei dem vorgelegten Schreiben v. 6.12.2013 um ein nachträglich – nämlich nach dem Versicherungsfall – gefertigtes Schriftstück handelt. Das ergibt sich aus Folgendem: Die von der AG vorgelegte Beratungsdokumentation zum Vertragsschluss im Oktober 2013 und der im Oktober 2013 dem ASt. übersandte Versicherungsschein weisen – ausdrücklich – keinen Teilkaskoversicherungsschutz aus. Das von dem ASt. vorgelegte – angebliche – Schreiben v. 6.12.2013 blieb – aus seiner Sicht – rund 11 Monate bis zum 3.11.2014 unbeantwortet. Warum er auf seine Bitte um “Erweiterung‘ des Versicherungsschutzes eine solch lange Zeit nicht zurückgekommen ist, hat er nicht erklärt. Darüber hinaus fällt auf, dass er den Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungsvertrag über seinen Versicherungsvermittler beantragt hat, der ihm noch unter dem 18.10.2013 die – Teilkaskoversicherungsschutz ausdrücklich als nicht gewünscht bezeichnende – Beratungsdokumentation übermittelt hat. Nichts hätte näher gelegen, als dass der ASt. sein angebliches Schreiben v. 6.12.2013 der AG nicht an die Postanschrift ihres Hauptsitzes zugeleitet, sondern gleichfalls – wie später im November 2014 – über den ortsnahen Versicherungsvermittler übersandt und diesen – nach dem 18.10.2013 selbst an sein angebliches Anliegen erinnert hätte. Vor diesem Hintergrund genügt es nicht einmal ansatzweise, wenn er als VN nach Schadenseintritt lediglich behauptet, er habe einen entsprechenden Versicherungsschutz bereits vorher beantragt.

Hinzu kommt, worauf das LG in seinem Nichtabhilfebeschluss abgestellt hat, dass der Vertragsschluss zwischen den Parteien nicht aufgrund des nach den §§ 146,147 BGB erloschenen Antrags v. 6.12.2013 – unterstellt es habe diesen gegeben –, sondern vielmehr aufgrund des neuen Antrags, den er Anfang November 2014 gestellt hat, zu Stande gekommen ist. Zu diesem Zeitpunkt hatte der ASt. bereits Kenntnis des am 15.8.2014 eingetretenen Schadens.

(2.) Ob sich die AG – wie das LG meint – darauf berufen könnte, dass der ASt. neben der Beantwortung der Fragen in dem übersandten Schadensformular eine spontan zu erfüllende Aufklärungsobliegenheit durch die unterlassene Information der AG über den Vorunfall verletzt hat, ist fraglich. Zwar wird in besonders gelagerten Fällen eine von den Fragen eines VR nicht erfasste Obliegenheit eines VN zur “spontanen‘ Aufklärung grundlegender, für einen VR erkennbar bedeutsamer Umstände angenommen (BGH VersR 2011, 1549 zur Anzeige einer Insolvenz). Geht es indessen um typische regulierungsrelevante Informationen wie vor dem gemeldeten Versicherungsfall geschehene “Vorunfälle‘, so darf der VN im Allgemeinen darauf vertrauen, dass der VR sein Aufklärungsinteresse hinreichend klar und umfassend definiert. Das kann jedoch dahinstehen.

Die AG ist nämlich in jedem Fall nach § 28 Abs. 24 VVG leistungsfrei, weil der ASt. den – wenn auch geringen – fest stehenden Vorschaden in der Schadenanzeige, wie das LG zutreffend ausgeführt hat, arglistig verschwiegen hat.

Auch im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren ist in engen Grenzen eine Beweisantizipation zulässig. Prozesskostenhilfe darf aller...

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