VVG § 49

Leitsatz

Macht ein VN bei Nachfrage nach einer Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung deutlich, auch eine Teilkaskoversicherung abschließen zu wollen, so liegt in der Aushändigung der elektronischen Versicherungsbestätigung zugleich die Gewährung vorläufiger Teilkaskodeckung.

(Leitsatz der Schriftleitung)

KG, Urt. v. 9.12.2014 – 6 U 22/14

1 Aus den Gründen:

" … Zu Recht hat das LG die Bekl. zur Zahlung einer Kaskoversicherungsleistung i.H.v. 6.350 EUR verurteilt. Denn im Ergebnis der in zweiter Instanz teilweise wiederholten Beweisaufnahme steht auch zur notwendigen Überzeugung des Senats (§ 286 ZPO) fest, dass die Bekl. dem Kl. im Rahmen der vereinbarten vorläufigen Deckung für das Fahrzeug V Versicherungsschutz im Rahmen einer Teilkaskoversicherung gewähren musste."

Unstreitig bestand zwischen dem Kl. und der Bekl. im Zeitpunkt des behaupteten Versicherungsereignisses ein Versicherungsvertrag über die vorläufige Deckung in der Kfz-Haftpflichtversicherung, der durch die Überlassung der elektronischen Zulassungsnummer an den Kl. (früher Versicherungs-Doppelkarte) zustande gekommen war (vgl. dazu: Feyock/Jacobsen/Lemor, Kraftfahrtversicherung, 3. Aufl. 2009, B.2.c – Rn 19) und die Bekl. verpflichtete, ab dem Tag der Zulassung des Fahrzeugs zum Straßenverkehr Haftpflichtversicherungsschutz zu gewähren. Die vorläufige Deckungszusage des VR stellt gem. § 49 ff. VVG einen vom eigentlichen (Haupt-)Versicherungsvertrag losgelösten, rechtlich selbstständigen Versicherungsvertrag dar, der für die Zeit vor dem Beginn des endgültigen Versicherungsschutzes – und unabhängig von ihm – einen Anspruch auf Versicherungsschutz entstehen lässt; dies jedoch regelmäßig nur im Rahmen der so genannten Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung, ohne deren Bestehen eine Zulassung des Fahrzeugs zum Straßenverkehr nicht möglich wäre.

Da dem nicht juristisch vorgebildeten VN diese Trennung zwischen Hauptvertrag und Vertrag über die vorläufige Deckung jedoch regelmäßig nicht bekannt ist, entspricht es st. Rspr. des BGH und der OLG (vgl. BGH VersR 1999, 1274–1275; OLG Schleswig MDR 2007, 1422–1423; OLG Karlsruhe NJW-RR 2006, 1540–1541; OLG Saarbrücken VersR 2006, 1353–1355), dass ein verständiger VN nach der Verkehrsauffassung davon ausgehen darf, dass der VR seinen Antrag auf kombinierten Haftpflicht- und Kaskoversicherungsschutz (im Hauptvertrag) auch schon im Stadium der vorläufigen Deckung einheitlich behandeln wird, solange er nicht seitens des VR ausdrücklich und eindeutig darauf hingewiesen worden ist, dass im Rahmen der vorläufigen Deckung tatsächlich – und abweichend von dem Inhalt der beantragten Hauptversicherung – nur Haftpflichtversicherungsschutz gewährt wird (vgl. auch OLG Saarbrücken VersR 2006, 1353–1355 … ). Denn die Übergabe der elektronischen Zulassungsnummer, die die frühere Doppelkarte ersetzt hat, in der Sache aber weiterhin die Annahmeerklärung des VR im Rahmen der vorläufigen Deckung darstellt, erweckt nach der Verkehrsauffassung in diesen Fällen beim VN den Eindruck, der Kaskoversicherungsschutz bestehe entsprechend seines Antrages auch schon im Zeitraum der vorläufigen Deckung.

In der Sache handelt es sich um eine Auslegungsregel, die die Rspr. für den Tatbestand entwickelt hat, dass der Versicherungsschutz in der Kraftfahrzeughaftpflicht- und in der Fahrzeugversicherung gleichzeitig beantragt und daraufhin ohne einschränkenden Hinweis eine Versicherungsbestätigung erteilt wird. Die Anwendung dieser Auslegungsregel setzt dabei nicht voraus, dass im Zeitpunkt der Überlassung der Versicherungsbestätigung für die vorläufige Deckung bereits ein verbindlicher schriftlicher Antrag auf Abschluss des Hauptvertrags gestellt ist. Ausgehend von dem mit einer vorläufigen Deckung verfolgten Zweck, nämlich den endgültig gewünschten Versicherungsschutz für die Übergangszeit bis zur Entscheidung über die Annahme des Antrages vorzuverlegen, greift die Auslegungsregel bereits dann ein, wenn der VN dem VR seinen Wunsch nach einer Kaskoversicherung zusätzlich zur Haftpflichtversicherung als Bestandteil des noch abzuschließenden Hauptvertrags telefonisch oder sonst mündlich mitgeteilt hat. …

Entgegen der Ansicht der Bekl. steht der Anwendung dieser Auslegungsregel vorliegend nicht entgegen, dass der Zeuge T … als Versicherungsmakler und nicht als Agent der Bekl. tätig geworden ist. Zwar weist die Bekl. zutreffend darauf hin, dass auf Versicherungsmakler, die aufgrund ihres Aufgabengebietes regelmäßig im Lager des VN stehen, die von der Rspr. entwickelte “Auge und Ohr-Rechtsprechung‘ grds. keine Anwendung findet (vgl. BGH VersR 1999, 1481–1482). Dies ist jedoch im Zusammenhang mit dem Abschluss des Versicherungsvertrags über die vorläufige Deckung gem. § 49 ff. VVG anders zu sehen. Denn dieser Vertrag kommt – wie ausgeführt – bereits mit der Übergabe der vorläufigen Deckungszusage an den VN zustande. Wenn der Makler berechtigt und in der Lage ist, elektronische Zulassungsnummern des VR an den zukünftigen VN herauszugeben, wird er insoweit im Aufgabenbereich des VR tä...

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