[2]" … 1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen vollendeten Betrugs kann nicht bestehen bleiben.

[3] a) Nach den von der Strafkammer insofern getroffenen Feststellungen hatte der Angeklagte in den Fällen II. 1 – II. 10 der Urteilsgründe die von ihm benutzten Pkw jeweils mit amtlichen Kennzeichen versehen, die aus Diebstählen stammten. Entsprechend seiner vorgefassten Absicht fuhr er in zehn Fällen jeweils zu Selbstbedienungstankstellen, betankte das von ihm geführte Fahrzeug und setzte anschließend die Fahrt fluchtartig ohne Bezahlung der eingefüllten Treibstoffmenge fort. Das LG hat nicht festgestellt, ob die Tankvorgänge von den Betreibern der Tankstellen oder deren Mitarbeitern bemerkt wurden.

[4] b) Diese Feststellungen tragen nicht die Verurteilung wegen vollendeten Betrugs.

[5] In den Fällen des Selbstbedienungstankens setzt die Annahme eines vollendeten Betrugs voraus, dass der Täter durch (konkludentes) Vortäuschen von Zahlungsbereitschaft bei dem Kassenpersonal einen entsprechenden Irrtum hervorruft, der anschließend zu der schädigenden Vermögensverfügung (Einverständnis mit dem Tankvorgang) führt. Mangels Irrtumserregung liegt jedoch kein vollendeter Betrug vor, wenn das Betanken des Fahrzeugs vom Kassenpersonal überhaupt nicht bemerkt wird. In einem solchen Fall ist aber regelmäßig vom Tatbestand des versuchten Betrugs auszugehen, wenn das Bestreben des Täters – wie im vorliegenden Fall – von Anfang an darauf gerichtet war, das Benzin unter Vortäuschung einer nicht vorhandenen Zahlungsbereitschaft an sich zu bringen, ohne den Kaufpreis zu entrichten (BGH, Urt. v. 5.5.1983 – 4 StR 121/83, NJW 1983, 2827; Beschl. v. 28.7.2009 – 4 StR 254/09, NStZ 2009, 694; Beschl. v. 10.1.2012 – 4 StR 632/11, NStZ 2012, 324). Da das LG trotz umfassenden Geständnisses des Angeklagten, Heranziehung der Lichtbilder der Überwachungskameras und Vernehmung des alle Ermittlungen führenden Polizeibeamten keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob die einzelnen Tankvorgänge vom Kassenpersonal bemerkt wurden, geht der Senat zugunsten des Angeklagten davon aus, dass dies nicht der Fall war, und ändert den Schuldspruch jeweils in versuchten Betrug ab. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

[6] 2. Durchgreifenden Bedenken begegnet auch die Verurteilung wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte.

[7] a) Nach den Feststellungen (Fall II. 12 der Urteilsgründe) befuhr der erheblich alkoholisierte, absolut fahruntüchtige Angeklagte, der nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis war, am 29.12.2011 gegen 6.10 Uhr mit einem Pkw, für den kein Haftpflichtversicherungsschutz bestand, öffentliche Straßen in E. Einer polizeilichen Verkehrskontrolle versuchte er sich dadurch zu entziehen, dass er wendete und mit hoher Geschwindigkeit (bis zu 180 km/h) flüchtete. Dabei beging er zahlreiche Vorfahrtverletzungen, missachtete das Rotlicht an Kreuzungen und überholte trotz Gegenverkehrs. Andere Verkehrsteilnehmer konnten nur durch eine umsichtige und reaktionsschnelle Fahrweise einer drohenden Kollision entgehen. Um der Flucht des Angeklagten ein Ende zu bereiten, stellte ein Polizeibeamter vor dem Ortseingang H seinen Streifenwagen quer zur Fahrbahn. Der Angeklagte versuchte nun, das Polizeifahrzeug mit hoher Geschwindigkeit rechts zu umfahren. Dies misslang jedoch, da sich in diesem Bereich neben der Straße eine kleine Baumgruppe befand. Der Angeklagte steuerte sein Fahrzeug deshalb wieder nach links und kollidierte in voller Fahrt mit dem Streifenwagen. Dabei erlitt einer der beiden in dem Fahrzeug befindlichen Polizeibeamten eine Knieprellung, Hautabschürfungen im Stirnbereich sowie ein Schädel-Hirntrauma ersten Grades. Das LG hat das Tatgeschehen u.a. als Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gem. § 113 Abs. 1 StGB gewertet, da die waghalsige Fahrt dazu gedient habe, “sich der Polizeikontrolle zu entziehen‘ (UA S. 22).

[8] b) Diese Feststellungen rechtfertigen keine Verurteilung aus § 113 Abs. 1 StGB. Unter Widerstand ist eine aktive Tätigkeit gegenüber dem Vollstreckungsbeamten zu verstehen, mit der die Durchführung einer Vollstreckungsmaßnahme verhindert oder erschwert werden soll. Die Tat muss demgemäß Nötigungscharakter haben. Allerdings wird ein effektiver Nötigungserfolg nicht vorausgesetzt (“unechtes Unternehmensdelikt‘, vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., § 113 Rn 22; S/S-Eser, StGB, 28. Aufl., § 113 Rn 40). “Mit Gewalt‘ wird Widerstand geleistet, wenn unter Einsatz materieller Zwangsmittel, vor allem körperlicher Kraft, ein tätiges Handeln gegen die Person des Vollstreckenden erfolgt, das geeignet ist, die Vollendung der Diensthandlung zumindest zu erschweren (vgl. BGH, Urt. v. 16.11.1962 – 4 StR 337/62, BGHSt 18, 133, 134; Fischer a.a.O. § 113 Rn 23). Die bloße Flucht vor der Polizei erfüllt diese Voraussetzungen nicht, auch wenn dabei andere Verkehrsteilnehmer behindert oder gefährdet werden. Da der Angeklagte die ihn verfolgenden Polizeibeamten mit seinem Kfz wede...

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