Der Klassiker von Kuhn zur Unfallrechtsprechung ist mit einer deutlichen Steigerung an Umfang (gute 150 Seiten) und Preis (plus 15 EUR) drei Jahre nach der Vorauflage nunmehr in neuer achter Auflage auf den Markt gekommen. In Werken wie diesem werden fleißig und akribisch die vorhandenen Entscheidungen zur Schadensverteilung gesammelt, bewertet und zusammengefasst. Auf diese Weise kann sich der Leser und Rechtsanwender viel Zeit und Mühe bei der Recherche sparen und erhält überdies Argumentationshilfen für den eigenen Fall. Dies ist vor allem deswegen sinnvoll, weil nur eine geringe Prozentzahl der Verkehrsunfälle überhaupt forensisch reguliert wird. Positiv ist nach wie vor anzumerken, dass das Werk von RiBGH Dr. Grüneberg zu den Haftungsquoten nicht als Konkurrenz, sondern als kompatibles Korrelat zur vorliegenden Sammlung angesehen wird (vgl. Vorwort).

Die fundierte Einleitung ist für den Leser, der nicht nur nach Stichworten fahndet, eine willkommene Wissensgrundlage. Insbesondere die Unterkapitel zur Haftung von Kindern im Straßenverkehr (S. 32 ff., als Vorbereitung für den Unterabschnitt zum Stichwort "Kind" auf S. 231 ff.) und die Ausführungen zur Verjährung (S. 41 ff.) geben gute Denkanstöße für den konkreten Fall. Die sodann folgenden Urteile sind alphabetisch nach Stichworten von "Abbiegen" bis "Wenden" sortiert. Innerhalb der Sortierung kann sich der Leser dann nach dem Rang des Gerichts (absteigend) orientieren. Trotz des Fußnotenangebots mit Zeitschriftenfundstellen wäre die Datumsangabe nebst Angabe des Aktenzeichens in allen Fußnoten oder generell neben dem Gerichtsnamen weiterhin eine Anregung für die nächste Auflage – bisher ist dies nur teilweise verwirklicht. Die graphische Untermalung der Stichworte mit Skizzen ist vorbildlich und auch die Beigabe von hervorgehobenen Hinweisen entspricht den Erwartungen des praktisch geschulten Lesers.

Die Gewichtung der Stichworte ist verglichen mit der Häufigkeit der Vorkommnisse gelungen, so dass neben forensischen Schwerpunkten wie Vorfahrts- und Abbiegeverstößen oder Unfällen auf Parkplätzen und an Baustellen wegen Verkehrssicherungspflichtverletzungen auch seltene bzw. mitunter komplizierte Konstellationen Gehör finden, etwa Unfälle mit Linienbussen oder mit Fahrradfahrern. Auch die Beeinflussung durch Alkohol oder die Benutzung eines Mobiltelefons finden ausreichende Würdigung. Innerhalb der einzelnen Stichworte wird durch Querverweise auf verwandte Fallgestaltungen das assoziative Verständnis geschult, zum anderen wird die Thematik so auch umfassend abgedeckt.

Sinnvoll ergänzt werden die Entscheidungen zu den Verkehrsunfällen nunmehr mit einem eigenen Abschnitt zur Kaskoversicherung. Die möglichen Leistungskürzungen bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit werden anhand verschiedener Modelle und der Umsetzung in der Rechtsprechung erörtert und mit konkreten Entscheidungen transparent gemacht, etwa zum Klassiker Alkoholkonsum, aber eben auch zu Geschwindigkeitsüberschreitungen oder Ausweichmanövern.

In der täglichen Rechtspraxis sind Sammlungen wie diese nahezu unverzichtbar. Zwar ist im deutschen Rechtssystem zum Glück jeder Einzelfall genuin zu entscheiden, doch ermöglicht die Kenntnis anderer Urteile zum einen die Absicherung der eigenen Ansicht, zum anderen vermeidet der Vergleich mit anderen Urteilen auch Wertungsfehler, die in zweiter Instanz sonst korrigiert werden müssten. Ich arbeite nach wie vor gerne mit dem Kuhn und kann das Werk bedenkenlos für die verkehrsrechtliche Praxis empfehlen.

Autor: Benjamin Krenberger

RiAG Dr. Benjamin Krenberger, Landstuhl

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