"… Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die Bekl. ist der Kl. zum Schadensersatz i.H.v. 36.451,85 EUR verpflichtet, § 6 Abs. 5 VVG.

1. Die Bekl. haftet der Kl. wegen Verletzung ihrer nachvertraglichen Beratungspflichten (§ 6 Abs. 4 VVG) aus dem Versicherungsverhältnis.

a. Die Reduzierung der Versicherungssumme im Rahmen der Neuordnung der Verträge stellte einen Beratungsanlass dar, der die Bekl. zur Bedarfsermittlung und Beratung verpflichtet hat.

aa. Die nachvertragliche Beratungspflicht nach § 6 Abs. 4 VVG setzt ebenso wie die vorvertraglichen Pflichten nach § 6 Abs. 1 VVG einen Beratungsanlass voraus (OLG Saarbrücken VersR 2011, 1556; Prölss, in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., 2010, § 6 Rn 46; Armbrüster, in: MüKo, VVG, 2010, § 6 Rn 219).

Grds. ist davon auszugehen, dass den VR nach Vertragsschluss keine Pflicht zu einer vorsorgenden Rechtsberatung darüber trifft, ob der vereinbarte Versicherungsschutz den Bedürfnissen des VN weiter genügt ( … ). Er muss nicht vorsorglich auf alle möglichen Auswirkungen von veränderten Umständen ohne konkreten Anlass – etwa einer Nachfrage des VN oder einer anstehenden Vertragsänderung – hinweisen (OLG Saarbrücken VersR 2011, 1556). Ein erkennbarer Beratungsanlass ist erst dann gegeben, wenn der VR entweder aufgrund von Verhandlungen anlässlich von Vertragsänderungen oder allein aufgrund der Informationen, die er besitzt, inzwischen entstandene oder zu erwartende Deckungslücken erkennen kann (Prölss, a.a.O., § 6 Rn 46).

bb. Ein erkennbarer Beratungsanlass hat sich für den Zeugen K als Außendienstmitarbeiter der Bekl. anlässlich des auf seine Initiative zustande gekommenen Beratungsgesprächs v. 16.9.2011 zur Neuordnung der bestehenden Versicherungen ergeben. Nachdem im Verlauf des Beratungsgesprächs nicht lediglich die Optimierung der Verträge, sondern auch eine Reduzierung der Versicherungssumme thematisiert worden ist, stellte dies in Anbetracht des damit einhergehenden Risikos einer möglichen Unterdeckung einen die Bedarfsermittlungs- und Beratungspflichten nach § 6 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 VVG auslösenden Beratungsanlass dar.

b. Dass ein Beratungsanlass aufgrund besonderer Kenntnisse der VN nicht gegeben war, hat die Bekl. nicht dargelegt.

Zwar kann im Hinblick auf weit verbreitete Grundkenntnisse, die von dem durchschnittlichen VN bezogen auf den von ihm nachgefragten Versicherungstyp erwartet werden können, schon das Bestehen von Informationspflichten und damit ein Beratungsanlass verneint werden (Prölss, in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., 2010, § 6 Rn 20). Davon ist bei der im Streitfall gegebenen Inhaltsversicherung zum Neuwert, die die Bewertung von Betriebsvermögen zur Ermittlung der Versicherungssumme voraussetzt, nicht auszugehen. Auch kann besondere Sachkunde eines VN einen Beratungsanlass entfallen lassen, zumindest soweit es um Umstände geht, die zweifelsfrei von seiner Sachkunde erfasst werden (Prölss, in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., 2010, § 6 Rn 20). Dass diese Voraussetzungen im Streitfall erfüllt wären, hat die Bekl. nicht dargetan. Zwar handelt es sich bei dem Inhaber der Kl. um einen geschäftsgewandten und im Rechtsverkehr erfahrenen Einzelhändler. Dies weist ihn aber noch nicht als Sachkundigen in Versicherungsangelegenheiten aus.

c. Im Rahmen der Bedarfsermittlungs- und Beratungspflicht bestand für den Zeugen K, dessen Handeln sich die Bekl. nach § 278 BGB zurechnen lassen muss, die Verpflichtung, die Kl. bei der Ermittlung der Versicherungssumme auf die Gefahr einer Unterversicherung sowie die Maßgeblichkeit der Wiederbeschaffungswerte hinzuweisen. Demgegenüber ist der Zeuge K nicht verpflichtet gewesen, die Versicherungssumme selbst zu ermitteln. Die Bedarfsermittlungspflicht ist grds. auf eine Fragepflicht beschränkt (Prölss, in: Prölss/Martin, VVG, 28. Auf. 2010, § 6 Rn 6). Der Zeuge war aber gehalten, durch entsprechende Hinweise sicherzustellen, dass die Versicherungssumme nicht fehlerhaft festgesetzt wird, indem statt der Neuwerte die geringeren Buchwerte in die Berechnung einfließen. Der Außendienstmitarbeiter der Bekl. genügt deshalb nicht seiner Pflicht, wenn er kommentarlos die ihm vom VN genannten Werte entgegennimmt, ohne sich zu vergewissern, ob damit auch das versicherte Risiko abgedeckt werden kann. Soweit der Zeuge K selbst die Versicherungssumme unter Zugrundelegung der falschen Werte ermittelt hat, stellte dies ebenfalls eine Verletzung der Beratungspflichten dar.

2. Die Verletzung der nachvertraglichen Beratungspflicht hat die Kl. nachgewiesen.

a. Nach allgemeinen Grundsätzen hat grds. der VN das Vorliegen einer Pflichtverletzung durch den VR zu beweisen. Allerdings hat der VR die behauptete Fehlberatung substantiiert zu bestreiten und zunächst darzulegen, in welcher Weise er im Einzelnen seinen Beratungs- und Informationspflichten nachgekommen ist. Dem VN obliegt dann der Nachweis, dass diese Darstellung nicht zutrifft (BGHZ 126, 217; 166, 56; Prölss/Martin, VVG. 28. Aufl., 2010, § 63 Rn 12).

b. Die Kl. kann sich zum Nachw...

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