Hinweis

Die Frist zur Stellungnahme zum Gutachten Dr. XY war noch nicht abgelaufen, weil eine Stellungnahmefrist bereits gar nicht wirksam gesetzt worden war.

Die Frist war deshalb nicht wirksam gesetzt worden, weil die Fristsetzung zur Stellungnahme gemäß § 411 Abs. 4 ZPO lediglich durch Mitteilung der Geschäftsstelle erfolgt ist und nicht durch das Gericht (vgl. BGH NJW-RR 2001, S. 1.431).

Da es sich um eine Fristsetzung im Sinne des § 296 Abs. 1 ZPO handelt, muss die entsprechende Verfügung derartig eindeutig sein, dass bei der betroffenen Partei von Anfang an keine Fehlvorstellungen über die u.U. gravierenden Folgen der mit der Nichteinhaltung der Frist verbundenen Rechtsfolgen aufkommen können (BGH a.a.O.). Dies ist im vorliegenden Fall mit der bloßen Geschäftsstellenverfügung vom … nicht erfolgt.

Außerdem trägt die Geschäftsstellenverfügung keine Unterschrift der erkennenden Richterin.

Die entsprechende "Ausfertigung" ist auch nicht mit Gerichtssiegel versehen, obgleich dies für eine wirksame Fristsetzung gemäß §§ 329 Abs. 1, 317 ZPO vorgeschrieben ist.

Die Übersendung des Gutachtens mit Stellungnahmefrist hat daher, auch wenn ein Empfangsbekenntnis angeheftet war, allenfalls den zivilprozessualen Charakter eines Kenntnisnahmezettels.

 

Erläuterung:

Wer kennt das nicht: Im laufenden Zivilprozess wird vom Gericht eine Frist gesetzt, die nicht oder falsch notiert wurde und die deshalb oder aus anderen Gründen versäumt wurde.

Besonders Stellungnahmefristen zu den Ergebnissen eines vom Gericht eingeholten und mit Fristsetzung übersandten Sachverständigengutachtens werden nicht selten versäumt. Eine nachträglich eingereichte Stellungnahme, meist mit Ergänzungsfragen und ergänzenden Anträgen, wird wegen Verspätung zurückgewiesen. Der noch zusätzlich eingereichte Antrag auf Fristverlängerung wird abgeschmettert, die dagegen eingelegte "Beschwerde" nach § 225 Abs. 3 ZPO als unzulässig abgewiesen.

Eine wirksame Fristsetzung durch das Gericht ist jedoch an inhaltliche, vielmehr aber an formale Voraussetzungen geknüpft. Die tägliche Praxis zeigt jedoch, dass bei einer nicht unerheblichen Anzahl von Fällen diese Voraussetzungen schlicht fehlen.

Da heißt es oft und in Unkenntnis durch das Gericht:

"anliegendes Sachverständigengutachten wird mit der Bitte um Stellungnahme binnen 4 Wochen übersandt."

Auf Anordnung

gez. Müller, Justizangestellte“

Dies ist für eine wirksame Fristsetzung zu wenig, so dass mit dem o.g. Textbaustein die versäumte Frist gerettet werden kann. Dabei empfiehlt sich, die "verspätete" Stellungnahme dem Textbaustein anzuhängen und auch den Übersendungszettel der Geschäftsstelle als Anlage beizufügen. Denn oft weicht dieser etwa von der Verfügung des Richters ab.

Autor: Andreas Krämer

RA Andreas Krämer, FA für Versicherungsrecht und für Verkehrsrecht, Frankfurt am Main

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