Der Entscheidung des OLG ist zuzustimmen. Die Problematik ist in der Rspr. kaum behandelt worden. Meiner Kammer lag bisher nur ein einziger derartiger Fall vor, der ebenso wie vom OLG Düsseldorf hier entschieden wurde. Dies liegt möglicherweise daran, dass vielen Rechtsanwälten nicht bewusst ist, dass sie eine Fahrtkosten auslösende Geschäftsreise unternehmen. In Kenntnis der Entscheidung des OLG Düsseldorf werden die Anwälte viel häufiger Geschäftsreisekosten berechnen, als es bisher in der Praxis der Fall war.

I. Wann liegt eine Geschäftsreise vor?

Die praktischen Auswirkungen der Entscheidung sollen anhand einiger Beispiele verdeutlicht werden.

 
Praxis-Beispiel

Beispiel 1: Der in Potsdam wohnhafte Anwalt fährt zu seiner in Berlin gelegenen Kanzlei, um dort seine Arbeit aufzunehmen.

Hier liegt das Reiseziel zwar außerhalb der Gemeinde (Berlin), in der sich seine Wohnung (Potsdam) befindet. Es liegt jedoch bereits keine Geschäftsreise vor, da der Rechtsanwalt lediglich seinen Arbeitsplatz aufgesucht hat und die Reise keinem bestimmten Geschäft zuzuordnen ist.

 
Praxis-Beispiel

Beispiel 2: In Beispiel 1 reist der Anwalt von seinem Wohnort Potsdam zum Amtsgericht Berlin-Mitte, um dort einen Termin wahrzunehmen. Anschließend fährt er in seine Berliner Kanzlei.

Hier liegt das Reiseziel (Berlin-Mitte) außerhalb der Gemeinde, in der sich seine Wohnung (Potsdam) befindet. Auf den Umstand, dass die Kanzlei des Anwalts in Berlin und damit in derselben Gemeinde wie das Reiseziel liegt, kommt es nicht an. Folglich kann der Anwalt für die Fahrt zum AG Berlin-Mitte Reisekosten berechnen. Für die Rückfahrt in seine in Berlin befindliche Kanzlei fallen Geschäftsreisekosten bereits deshalb nicht an, weil der Anwalt dabei die politischen Gemeindegrenzen nicht überschritten hat. Fahrten innerhalb derselben Gemeinde, mag sie auch noch so groß sein, sind nämlich keine Geschäftsreisen (siehe LG Berlin JurBüro 1980, 1078).

 
Praxis-Beispiel

Beispiel 3: In Beispiel 1 fährt der Anwalt von seinem Wohnort in Potsdam zum LG Potsdam. Anschließend fährt er in seine Kanzlei in Berlin, um dort einen Terminsvermerk in der betreffenden Sache zu diktieren.

Für die Fahrt zum LG Potsdam hat der Anwalt die Gemeindegrenzen von Potsdam nicht überschritten, sodass keine Geschäftsreise vorliegt. Auf den Umstand, dass sich seine Kanzlei außerhalb des Reiseziels Potsdam befindet, kommt es nicht an.

Für die Rückfahrt vom LG Potsdam in seine Kanzlei kann der Anwalt demgegenüber Geschäftsreisekosten berechnen, weil das Reiseziel in Berlin außerhalb der Gemeinde liegt, in der sich das LG als Startort der Reise befindet. Die Rückfahrt von einem gerichtlichen Termin stellt auch eine einem konkreten Geschäft zuzuordnende Geschäftsreise dar.

 
Praxis-Beispiel

Beispiel 4: Nachdem der Anwalt den Nachmittag in seiner Kanzlei in Berlin verbracht hat, fährt er zu einem Besprechungstermin in die Potsdamer Gaststätte seines Mandanten. Nach diesem Gespräch fährt er in seine Potsdamer Wohnung.

Die Fahrt zu der Potsdamer Gaststätte des Mandanten stellt eine Geschäftsreise dar, da das Reiseziel Potsdam außerhalb der Gemeinde liegt, in der sich seine Kanzlei in Berlin befindet. Die Reise dient auch einem konkreten Geschäft.

Demgegenüber stellt die Rückfahrt zu seiner Wohnung keine Geschäftsreise dar. Zwar lag das Reiseziel Potsdam außerhalb der Gemeinde, in der sich seine Kanzlei (Berlin) befindet. Jedoch hat der Anwalt bei der Rückfahrt nicht die Grenzen der politischen Gemeinde Potsdam überschritten. Außerdem handelt es sich deshalb nicht um eine Geschäftsreise, weil die Rückfahrt in seine Wohnung nicht einem konkreten Geschäft, sondern der Vorbereitung der Freizeit dient.

II. Anspruch gegen die Staatskasse

Der im Wege der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt, dessen Beiordnung – wie hier im Fall des OLG Düsseldorf – nicht auf die Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts beschränkt ist, hat Anspruch auf Ersatz der Reisekosten gegen die Staatskasse. Die früher in § 126 Abs. 1 S. 1 BRAGO enthaltene Einschränkung hat das RVG nicht übernommen. Die Reiseauslagen werden aus der Landeskasse gem. § 46 Abs. 1 RVG ausnahmsweise nur dann nicht vergütet, wenn die Reisekosten zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit nicht erforderlich waren. Hierfür hat die Landeskasse die Darlegungslast. Eine Anfahrt zum Gerichtstermin entweder vom Wohnort des Anwalts oder von seiner Kanzlei dürfte im Regelfall sachgemäß sein. Der Anwalt hat in seinem Antrag auf Festsetzung der ihm gegen die Landeskasse zustehenden Vergütung gem. § 55 Abs. 5 S. 1 i.V.m. § 104 Abs. 2 ZPO darzulegen und ggf. glaubhaft zu machen, von welchem Ort er seine Reise angetreten hat.

III. Kostenerstattung

Das OLG Düsseldorf hat ausgeführt, § 91 Abs. 1 ZPO begrenze die Erstattungspflicht der Reisekosten gegen den erstattungspflichtigen Gegner nur auf die notwendigen Reisekosten. Diese einschränkende Auffassung entspricht nicht der Rspr. des BGH. Gem. § 91 Abs. 2 S.1 ZPO sind die gesetzlichen Gebühren und Auslagen e...

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