Die wesentliche Regelung im deutschen Recht betreffend die Inlandsgültigkeit von Fahrerlaubnissen aus EU-Staaten[33] oder EWR-Staaten[34] stellt § 28 FeV dar.[35] Dort ist die Gültigkeit für diejenigen Fahrerlaubnisinhaber geregelt, die in Deutschland ihren ordentlichen Wohnsitz haben, nachdem sie in einem anderen EU- oder EWR-Staat eine Fahrerlaubnis erhalten haben. Das ist der Fall, der in der Regel mit dem Begriff des "Führerschein-Tourismus" verbunden wird. Nach § 28 Abs. 1 S. 1 FeV dürfen Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis im Umfang ihrer Berechtigung Kraftfahrzeuge im Inland führen. Der Umfang ergibt sich aus § 28 Abs. 2 FeV, die Gültigkeitsdauer der Fahrerlaubnisse aus § 28 Abs. 3 FeV. Die Gültigkeit erfordert keinerlei Anerkennungsakt oder Umschreibung. Damit entsprechen § 28 Abs. 1 bis 3 FeV der Rechtsprechung des EuGH.

Die Fälle, in denen eine EU- oder EWR-Fahrerlaubnis nicht zu einer Fahrberechtigung im Inland führt, sind in § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 bis 9 FeV aufgelistet.

[33] Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn, Zypern.
[34] Island, Liechtenstein, Norwegen.
[35] § 2 Abs. 11 StVG beinhaltet lediglich eine Verweisung auf die Regelungen der Fahrerlaubnis-Verordnung.

I. § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 FeV

Keine Inlandsfahrberechtigung gilt für Inhaber von Lernführerscheinen oder sonstigen vorläufig ausgestellten Führerscheinen. Diese Regelung spielt in der Praxis kaum eine Rolle.

II. § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 FeV

Diese Vorschrift setzt das in der Rechtsprechung des EuGH statuierte Wohnsitzerfordernis um. Die Norm wurde gerade geschaffen,[36] um die Rechtsprechung des EuGH im nationalen Recht nachzuzeichnen.[37] Aufgrund der nach Inkrafttreten der Regelung ergangenen Rechtsprechung des EuGH folgt die Inlandsungültigkeit einer unter Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip erteilten EU- oder EWR-Fahrerlaubnis auch dann, wenn zuvor keine führerscheinrechtliche Maßnahme gegen den Inhaber getroffen wurde.[38] Diese Vorschrift steht daher mit Europarecht in Einklang.[39]

[36] Art. 1 Nr. 4 lit. a) aa) der Dritten Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung v. 7.1.2009, BGBl I S. 29, Inkrafttreten 19.1.2009.
[37] Begründung zur Dritten Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung, BR-Drucks 851/08, S. 5 f., 11.
[38] EuGH, Urt. v. 19.5.2011 – C-184/10, Rs. "Grasser", NJW 2011, 3635 = DAR 2011, 385.
[39] Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 28 FeV Rn 31; Koehl in NK/GVR, 1. Aufl. 2014, § 28 FeV Rn 19.

III. § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 FeV

Die Vorschrift ist seit dem Inkrafttreten der Fahrerlaubnis-Verordnung zum 1.1.1999 unverändert geblieben.[40] Die durch die neuere Rechtsprechung des EuGH überholte Regelung[41] sollte nach dem Willen des Verordnungsgebers nach dem Inkrafttreten von Art. 11 Abs. 4 S. 2 der Dritten Führerschein-Richtlinie wieder voll anwendbar sein, um den "Führerscheintourismus" zu bekämpfen.[42] Durch die Entscheidung des EuGH vom 26.4.2012 – C-419/10, Rs. "Hofmann",[43] ist geklärt, dass es sich bei Art. 11 Abs. 4 S. 2 der Dritten Führerschein-Richtlinie nur um eine Rechtsfolgenverweisung handelt, die die vom EuGH in seiner Rechtsprechung konkretisierten Tatbestandsvoraussetzungen der Nichtanerkennung unberührt lässt. Hieraus wurde normtechnisch bislang keine Konsequenz gezogen.

§ 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 FeV ist nach der Rechtsprechung des EuGH nur für die Konstellation europarechtskonform, dass während des Laufs einer gerichtlich verhängten Sperrfrist nach dem Entzug einer Fahrerlaubnis eine EU- oder EWR-Fahrerlaubnis erteilt wird, auch wenn von dieser erst nach Ablauf der Sperrfrist Gebrauch gemacht wird. Diesbezüglich sollte die Norm deutlicher formuliert werden. Die Regelung umfasst auch den vorläufigen Entzug nach § 111a StPO.

Wenn aufgrund von Umständen nach der Erteilung einer Fahrerlaubnis durch einen Mitgliedstaat diese im Inland entzogen oder eingeschränkt wird, ist das kein Fall dieser Norm. Denn die Ungültigkeit folgt nicht bereits aufgrund einer vorangegangenen Maßnahme, die mit einem Feststellungsbescheid erklärt werden könnte. Es ist vielmehr ein ausdrücklicher Aberkennungsbescheid aufgrund von Eignungsmängeln nach § 46 Abs. 1, 5 FeV zu erlassen. Das gilt ebenso für den Fall, dass die EU-/EWR-Fahrerlaubnis aufgrund eines Wohnsitzverstoßes nicht anzuerkennen ist und die Fahrerlaubnisbehörde nach nationalem Recht wegen Eignungszweifeln die Fahrerlaubnis entzieht.[44]

Die in § 28 Abs. 4 S. Nr. 3 FeV weiter geregelten Varianten stehen nicht in Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH und sind daher europarechtswidrig. Im Fall einer zuvor erfolgten Versagung der Erteilung einer Fahrerlaubnis bleibt dem Betroffenen nach dieser Vorschrift als einziger Weg zu einer Anerkennung der EU-/EWR-Fahrerlaubnis im Inland der Nachweis, dass die Gründe für den Entzug der Fahrerlaubnis nicht mehr bestehen (§ 28 Abs. 5 S. 1 FeV). Dam...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge