VVG § 180; AUB 2000 Nr. 2.1.2.2.3. 10.3

Leitsatz

1. Die Regelung in Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (hier: Nr. 10.3 AUB 2000), wonach der Vertrag durch den VN oder den VR durch Kündigung beendet werden kann, wenn der VR eine Leistung erbracht hat, ist dahin auszulegen, dass das Kündigungsrecht mit der ersten Leistung beginnt.

2. Die Beweislast für das Maß der dauerhaften Invalidität bei einer innerhalb der Dreijahresfrist für die Nachbemessung verlangten Erstbemessung trägt der VN.

3. Die zu berücksichtigende Vorinvalidität muss nicht in dem betroffenen Körperteil selbst vorhanden sein.

(Leitsätze 2. und 3. der Schriftleitung)

BGH, Urt. v. 18.10.2017 – IV ZR 188/16

Sachverhalt

Der Kl. nimmt die Bekl. auf Leistungen aus einer Unfallversicherung wegen zweier Unfälle v. 8.10.2009 und 2.3.2010 seiner mitversicherten und inzwischen verstorbenen Ehefrau in Anspruch. Dem Versicherungsvertrag zwischen den Parteien liegen die AUB 2000 zugrunde. In diesen heißt es unter anderem:

"2.1.2.2.1 Bei Verlust oder völliger Funktionsunfähigkeit der nachstehend genannten Körperteile und Sinnesorgane gelten ausschließlich die folgenden Invaliditätsgrade:"

a) Arm 70 % …

Bein bis zur Mitte des Oberschenkels 60 %

2.1.2.2.2 Für andere Körperteile und Sinnesorgane bemisst sich der Invaliditätsgrad danach, inwieweit die normale körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit insgesamt beeinträchtigt ist. Dabei sind ausschließlich medizinische Gesichtspunkte zu berücksichtigen.

2.1.2.2.3 Waren betroffene Körperteile oder Sinnesorgane oder deren Funktionen bereits vor dem Unfall dauernd beeinträchtigt, wird der Invaliditätsgrad um die Vorinvalidität gemindert. Diese ist nach Ziff. 2.1.2.2.1 und Ziff. 2.1.2.2.2 zu bemessen …

9.4 Sie und wir sind berechtigt, den Grad der Invalidität jährlich, längstens bis zu drei Jahren nach dem Unfall, erneut ärztlich bemessen zu lassen …

10.3 Kündigung nach Versicherungsfall

Den Vertrag können Sie oder wir durch Kündigung beenden, wenn wir eine Leistung erbracht oder Sie gegen uns Klage auf Leistung erhoben haben.

Die Kündigung muss Ihnen oder uns spätestens einen Monat nach Leistung oder – im Falle eines Rechtsstreits – nach Klagerücknahme, Anerkenntnis, Vergleich oder Rechtskraft des Urteils zugegangen sein … “

Am 23.4.2008 erlitt die mitversicherte Ehefrau bei einem Sturz eine Schenkelhalsfraktur links, die mit einem künstlichen Hüftgelenk versorgt wurde. Aufgrund dieses Unfalls zahlte die Bekl. gem. Schreiben v. 9.7.2008 Krankenhaustagegeld, v. 19.5.2009 einen Invaliditätsvorschuss sowie gem. Abfindungserklärung v. 21.7.2009 einen Endbetrag. Mit Schreiben v. 13.8.2009 kündigte die Bekl. die Unfallversicherung gem. Ziff. 10.3 AUB 2000 unter Bezugnahme auf den Unfall v. 23.4.2008.

Am 8.10.2009 stürzte die Ehefrau auf die linke Schulter und erlitt eine Oberarmkopffraktur. In einem für die Bekl. erstatteten Gutachten v. 8.11.2010 stellte der Sachverständige Dr. P als Folge dieses Unfalles eine drastische Einschränkung der Beweglichkeit des linken Schultergelenks fest und bemaß die Funktionsminderung mit 10/20 Armwert. Ferner stürzte die Ehefrau am 2.3.2010 und zog sich eine Tibiakopffraktur am linken Knie zu. Der Kl. nimmt die Bekl. auf Zahlung von Krankenhaustagegeld sowie Invaliditätsentschädigung für die beiden Unfälle vom 8.10.2009 und 2.3.2010 in Anspruch. Das LG hat der Klage teilweise stattgegeben. Auf die wechselseitigen Rechtsmittel der Parteien hat das OLG die Berufung der Bekl. zurückgewiesen und unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels des Kl. die Bekl. zu einer weiteren Zahlung verurteilt.

2 Aus den Gründen:

[5] "… I. [Das BG] ist zu dem Ergebnis gelangt, dem Kl. stünden Ansprüche aus dem Unfall seiner Ehefrau v. 8.10.2009 wegen der erlittenen Oberarmkopffraktur zu. Zum Zeitpunkt des Unfalles habe die Versicherung noch bestanden. Die von der Bekl. erklärte Kündigung v. 13.8.2009 sei nicht wirksam, da die Kündigungsfrist nicht gewahrt sei. …"

[6] Infolge des Unfalles stehe dem Kl. neben dem Krankenhaustagegeld von 11.417 EUR ein Anspruch auf Invaliditätsleistung in der vom LG zuerkannten Höhe von 60.900 EUR zu. Durch den Unfall sei eine dauerhafte Funktionseinschrän kung an dem Schultergelenk eingetreten. Diese führe zu einem Invaliditätsgrad von 35 %. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Invaliditätsbemessung sei die Dreijahresfrist, da der Kl. noch vor Ablauf der Neubemessungsfrist klageweise Invaliditätsansprüche geltend gemacht habe. Ausgehend von dem Ablauf der 15-monatigen Invaliditätseintrittsfrist am 8.1.2011 sei von einem Invaliditätsgrad von 10/20 Armwert auszugehen. Die Bekl. sei dafür beweispflichtig, dass innerhalb der Dreijahresfrist bis zum 8.10.2012 etwaige Veränderungen eingetreten seien. Diesen Beweis habe sie nicht geführt. Zwar habe der Sachverständige zum Zeitpunkt der Untersuchung am 20.11.2013 festgestellt, dass keine “frozen shoulder‘ mehr vorgelegen habe. Es lasse sich jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, dass diese Verbesserung bereits am 8.10.2012 eingetreten sei. Ließe man hingegen f...

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