"Die Beschwerde des AG ist zulässig (vgl. §§ 146, 147 VwGO) und begründet."

Das VG hat dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zu Unrecht stattgegeben. Aus den in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründen (vgl. § 146 Abs. 4 S. 6 VwGO) ergibt sich, dass abweichend von der Entscheidung des VG das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verfügung des AG v. 23.6.2015 gegenüber dem privaten Interesse der ASt., vom Vollzug des Bescheids vor einer endgültigen Entscheidung über dessen Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, überwiegt. Denn bei der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtsmäßigkeit der mit dem angefochtenen Bescheid verfügten Entziehung der Fahrerlaubnis. Es besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, dass die ASt. zum Führen von Kfz nicht geeignet ist. Deshalb ist ernstlich zu befürchten, dass sie bereits vor einer endgültigen Entscheidung in der Hauptsache die Sicherheit des Straßenverkehrs gefährden wird.

Zutreffend ist das VG zwar davon ausgegangen, dass die Gutachtensbeibringungsanordnung v. 25.3.2015 rechtswidrig war, da in der vorliegenden Konstellation kein medizinisch-psychologisches Gutachten gefordert werden durfte und deswegen der Schluss auf die Nichteignung der ASt. nicht gerechtfertigt ist (1.). Das VG hat jedoch übersehen, dass die Fahrerlaubnisbehörde aufgrund der besonderen Umstände des Falles auch ohne Gutachten von der Nichteignung der ASt. ausgehen durfte (2.). Unabhängig hiervon gebietet eine von den Erfolgsaussichten der Hauptsache unabhängige Interessenabwägung die Aufrechterhaltung des Sofortvollzugs der Fahrerlaubnisentziehungsverfügung (3.).

1. Nach § 3 Abs. 1 StVG, § 46 Abs. 1 und 3 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zwingend und ohne Ermessensbetätigung zu entziehen, wenn sich jemand als ungeeignet zum Führen von Kfz erweist. Dies gilt nach § 46 Abs. 1 S. 2 FeV insb. dann, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen. Ermächtigt § 46 Abs. 1 FeV zur Entziehung der Fahrerlaubnis somit erst, wenn die fehlende Eignung zum Führen von Kfz erwiesen ist, enthält § 46 Abs. 3 FeV im Vorfeld dieser Entscheidung und mit einer niedrigeren Eingriffsschwelle die Rechtsgrundlage für Maßnahmen zur weiteren Aufklärung des Bestehens dieser Eignung. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken an der Eignung des Fahrerlaubnisinhabers zum Führen eines Kfz begründen, hat die Fahrerlaubnisbehörde unter den in §§ 11 bis 14 FeV genannten Voraussetzungen durch die Anordnung der Vorlage von ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Gutachten die Eignungszweifel aufzuklären (§ 3 Abs. 1 S. 3 StVG, § 46 Abs. 3 FeV). Wenn sich der Betr. weigert, sich untersuchen zu lassen, oder das von der Fahrerlaubnisbehörde geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt, darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung schließen (§ 11 Abs. 8 S. 1 FeV). Ein Schluss auf die Nichteignung ist indes nur zulässig, wenn die Anordnung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insb. anlassbezogen und verhältnismäßig ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 5.7.2001 – 3 C 13.01 – [zfs 2002, 47=] NJW 2002, 78; und v. 9.6.2005 – 3 C 25.04 – NJW 2005, 3081; Senatsurt. v. 10.12.2013 – 10 S 2397/12 – [zfs 2014, 237 =] VBlBW 2014, 337). Zwar begegnet die in der Gutachtensanordnung v. 25.3.2015 gesetzte Frist nicht den von der ASt. geltend gemachten Bedenken (1.1); in der vorliegenden Fallgestaltung war jedoch kein medizinisch-psychologisches Gutachten auf der Grundlage von § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. e FeV anzuordnen (1.2).

1.1 Fehl geht jedenfalls der Einwand der ASt., die Frist zur Vorlage des Gutachtens müsse so lange bemessen sein, dass ihr ermöglicht werde, die Eignungszweifel – ggf. auch durch einen Abstinenznachweis für die Dauer eines Jahres – auszuräumen. Dem steht bereits der primäre Zweck der Ermächtigung zu einer Gutachtensanordnung entgegen. Die Gutachtensanordnung gehört als Gefahrerforschungseingriff zu den Gefahrenabwehrmaßnahmen, die von der Fahrerlaubnisbehörde zum Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer vor ungeeigneten bzw. mangelnder Eignung verdächtigen Fahrerlaubnisinhabern zu ergreifen sind. Dieser Schutzauftrag ist im Hinblick auf die gegenwärtige potentielle Gefährdung der Verkehrssicherheit durch einen möglicherweise ungeeigneten Kraftfahrer mit der gebotenen Beschleunigung zu erfüllen und duldet keinen Aufschub bis zu einem entfernten Zeitpunkt in der Zukunft, zu dem ein solcher Fahrer die Fahreignung wiedererlangt haben mag. Auf einen derartigen Aufschub läuft aber die These der ASt. hinaus, dass einem der Alkoholabhängigkeit verdächtigen Fahrerlaubnisinhaber eine Gutachtensbeibringung erst für einen Zeitpunkt abverlangt werden dürfe, für den er seine Abstinenz wahrscheinlich dartun könne. Die Frist des § 11 Abs. 6 S. 2 FeV dient nicht dazu, dem Fahrerlaubnisinhaber die Möglichkeit einzuräumen, erst den Nachweis über einen hinreichend langen Abstinenzzeitraum...

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