“… 2. Hinsichtlich der Person des Bekl. hat die Beitragserhöhung eine Kündigungsmöglichkeit eröffnet. Allerdings kann nach § 205 Abs. 6 S. 1 VVG eine Krankenversicherung, die – wie hier – eine Pflicht aus § 193 Abs. 3 S. 1 VVG erfüllt, nur dann gekündigt werden, wenn bei einem anderen VR für die versicherte Person ein neuer Vertrag abgeschlossen wird, der dieser Pflicht ebenfalls genügt. Diese Voraussetzung hatte der Bekl. zwar erfüllt. Nach § 205 Abs. 6 S. 2 VVG wird eine Kündigung aber erst wirksam, wenn die Anschlussversicherung dem bisherigen VR nachgewiesen wird.

Zutreffend ist das LG davon ausgegangen, dass der für die Wirksamkeit der Kündigung darlegungs- und beweisbelastete Bekl. nicht nachzuweisen vermag, dass seinem Kündigungsschreiben der Nachweis der Anschlussversicherung v. 29.7.2009 beilag und nicht lediglich das vom Kl. vorgelegte, als Nachweis untaugliche Anschreiben des neuen VR. Der vorgelegte Sendebericht belegt allenfalls, dass der Bekl. am 29.12.2009 an den Kl. insgesamt vier Seiten übermittelt hat. Der Kl. hat mit der Klage vier einseitige Dokumente vorgelegt, nämlich das Kündigungsschreiben v. 29.12.2009, das erwähnte Anschreiben des neuen VR und zwei Schriftstücke eines weiteren VR, die sich auf die Töchter des Bekl. beziehen. Hätte die Sendung auch die Versicherungsbestätigung v. 29.7.2009 umfasst, so hätte der Sendebericht 5 Seiten ausweisen müssen, oder eines der anderen vom Kl. vorgelegten Dokumente wäre diesem nicht – wie aber gegenteilig belegt – zugegangen.

4. Der Umstand, dass im Rahmen dieses Rechtsstreits ein inhaltlich hinreichender Nachweis der Anschlussversicherung vorgelegt worden und im Oktober 2010 auch dem Kl. zugegangen ist, führt nach § 205 Abs. 4, Abs. 6 VVG nicht dazu, dass die Kündigung zum 1.1.2010 Wirkung erlangt hat.

a) Zur Bedeutung nachgereichter Nachweise werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. Vereinzelt wird angenommen, der Nachweis müsse dem VR während der Kündigungsfrist zugehen. Geschehe dies nicht, könne der Nachweis auch keine Wirkung mehr entfalten (Hütt, in: Bach/Moser, Private Krankenversicherung, 4. Aufl. 2009, § 13 MB/KK Rn 34; vgl. auch Langheid, NJW 2011, 3265, 3269). Teilweise wird demgegenüber in Rspr. und Literatur angenommen, dass die ohne gleichzeitigen Nachweis ausgesprochene Kündigung zunächst schwebend unwirksam ist und mit Vorlage des Nachweises über eine Anschlussversicherung auf den Erklärungszeitpunkt bezogen wirksam wird (AG Baden-Baden, VersR 2010, 1027; Erdmann, VersR 2010, 1027; Erdmann, VersR 2011, 1131). Überwiegend wird in Rspr. und Literatur die Ansicht vertreten, der Vertrag bestehe jedenfalls bis zum Zugang des Nachweises der Anschlussversicherung fort, weshalb die Kündigung erst mit Zugang des Versicherungsnachweises wirksam werde (LG Karlsruhe BeckRS 2011, 19071; AG Aachen VersR 2011, 1131; Voit, in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., § 205 Rn 43 …). Diese Auffassung vertritt auch der Senat.

b) Bereits dem Wortlaut des § 205 Abs. 6 S. 2 VVG nach “wird‘ die Kündigung “erst wirksam, wenn der VN nachweist, dass die versicherte Person bei einem anderen VR versichert ist‘. Hätte demgegenüber die Wirksamkeit der Kündigung den gleichzeitigen Nachweis der Anschlussversicherung voraussetzen sollen, hätte vielmehr die Formulierung “ist nur wirksam‘ nahe gelegen.

c) Ein systematischer Vergleich mit der vorangestellten Norm des § 205 Abs. 2 S. 2 VVG und mit der für die gesetzliche Krankenversicherung geltenden vergleichbaren Regelung des § 175 Abs. 4 S. 4 SGB V, in denen jeweils ausdrücklich aufgeführt ist, dass entweder der Nachweis des Eintritts der Versicherungspflicht oder der Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse “innerhalb der Kündigungsfrist‘ zu erfolgen hat, spricht dafür, dass der Gesetzgeber für § 205 Abs. 6 VVG die Nachreichung eines Nachweises als ausreichend sehen wollte.

d) Dem Zweck der Regelung gem. soll durch sie sichergestellt werden, dass der VN nahtlos über Versicherungsschutz verfügt (BT-Drucks 16/4247, 68). Diesem Zweck würde sowohl dann Rechnung getragen werden, wenn die Kündigung mit späterem Nachweis bestehenden Versicherungsschutzes rückwirkend wirksam würde als auch, wenn sie erst mit Zugang des Nachweises Wirksamkeit entfaltete.

e) Die Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen der Parteien gebietet jedoch eine Auslegung der Norm dahingehend, dass die Kündigung erst zum Zeitpunkt der Vorlage des Nachweises der Anschlussversicherung, nicht jedoch rückwirkend, wirksam wird.

Zum einen hat der VR ein Interesse daran, möglichst zeitnah Klarheit über die Wirksamkeit der Kündigung zu erhalten. Zum anderen würde er bei einem bis zur Vorlage des Nachweises angenommenen Schwebezustand dem Risiko ausgesetzt sein, zwischenzeitlich dem Versicherten gegenüber erbrachte Versicherungsleistungen infolge von Zahlungsschwierigkeiten nicht mehr oder nur erschwert zurückfordern zu können. Dem gegenüber besteht das Interesse des VN darin, keine Doppelbelastung mit Prämien für zwei parallel laufende Versicherungsvertr...

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