" … II. Die gem. § 79 Abs. 1 Nr. 3 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde der StA hat (vorläufigen) Erfolg. Die Entscheidung ist allein deshalb auf die Sachrüge aufzuheben, weil das angefochtene Urteil entgegen §§ 46 Abs. 1, 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 267 StPO keine für das Rechtsbeschwerdegericht beachtlichen Gründe enthält und die Voraussetzungen des § 77b OWiG für ein Absehen von einer schriftlichen Begründung nicht vorlagen. Die am 9.5.2017 zu den Akten gelangten schriftlichen Urteilsgründe sind unbeachtlich, weil zu diesem Zeitpunkt eine bereits nicht mehr abänderbare Urteilsfassung ohne Gründe vorlag, nachdem das nur aus dem Tenor bestehende Protokollurteil auf Verfügung des Abteilungsrichters v. 18.4.2017 hin der StA Freiburg am 20.4.2017 gem. § 41 StPO zugestellt worden war (vgl. BGHSt 58, 473). Angesichts der fehlenden Gründe ist demzufolge das Rechtsbeschwerdegericht außer Stande, das angefochtene Urteil einer materiell-rechtlichen Überprüfung zu unterziehen, weshalb es der Aufhebung unterliegt (OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2007, 212; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 4.5.2016 – 2 (7) SsBs 145/16 – AK 68/16 [ebenfalls das AG Emmendingen betreffend]; OLG Hamm, Beschl. v. 20.3.2014 – III-3 RBs 16/14; OLG Bamberg, Beschl. v. 16.12.2008 – 3 Ss OWi 1060/08; Göhler, OWiG, 17. Aufl. 2017, § 77b Rn 8)."

III. 1. Die Abfassung der nachträglich ergänzten Urteilsgründe gibt trotz ihrer rechtlichen Unbeachtlichkeit Anlass darauf hinzuweisen, dass sie das Absehen von einem Fahrverbot nicht tragen könnten, weil sie in entscheidungserheblicher Weise lückenhaft sind.

Zur Begründung der festgestellten – gegenüber dem Bußgeldbescheid – niedrigeren Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung hat das AG ausgeführt:

“Hinsichtlich der Höhe der vorwerfbaren Geschwindigkeitsverstoßes hat der Betr. geltend gemacht, bei Verwendung des Geschwindigkeitsmessgerätes PoliScan Speed der Firma Vitronic könne es aufgrund des Umstandes, dass das Gerät unter Umständen auch Messpunkte außerhalb des in der Bauartzulassung definierten Messbereiches von 50 m bis 20 m vor dem Messgerät berücksichtige, zu Fehlmessungen kommen. [ … Dadurch kann es] – wie dem Gericht aufgrund eines in einem anderen vergleichbaren Verfahren eingeholten Sachverständigengutachtens des Büros Dr. L., Freiburg, bekannt ist – zu einer Außertoleranzmessung von maximal 1 km/h gegenüber einer Messung ausschließlich innerhalb des in der Bauartzulassung vorgegebenen Bereichs von 50 m bis 20 m zum Messgerät kommen. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass PoliScan Speed eine Entfernung systembedingt ohnehin nur auf +/- 0,315 Metern genau messen kann. Darüber hinaus ist zu beachten, dass bei PoliScan Speed eine Messung noch dann gültig ist, wenn sich die Geschwindigkeit des Fahrzeugs innerhalb des Messbereichs um bis zu 10 km/h bzw. um bis zu 10 % nach unten oder nach oben ändert. Für den Fall einer nicht konstanten Geschwindigkeit des gemessenen Fahrzeugs innerhalb des Messbereichs sind nach Ansicht des Sachverständigen Dr. L. zwei Alternativen zu unterscheiden:

Wenn ein Fahrzeug seine Geschwindigkeit beim Durchfahren des Messbereichs von 50 m bis 20 m um bis zu 10 km/h bzw. um bis zu 10 % verringert und die ersten zur Geschwindigkeitsmesswertbildung herangezogenen Entfernungsmesswerte bereits in einer größeren Entfernung als 50 m zum Messgerät ermittelt wurden, kann das Fahrzeug mit einer um bis zu 1 km/h zu hohen Geschwindigkeit gemessen werden.
Wenn ein Fahrzeug seine Geschwindigkeit während des Durchfahrens des Messbereichs von 50 m bis 20 m um bis zu 10 km/h bzw. um bis zu 10 % erhöht und die letzten zur Geschwindigkeitsmesswertbildung herangezogenen Entfernungsmesswerte in einer geringeren Entfernung als 20 m zum Messgerät ermittelt wurden, kann das Fahrzeug ebenfalls mit einer um 1 km/h zu hohen Geschwindigkeit gemessen werden.

Nach Angaben des Sachverständigen sind größere Abweichungen vom richtigen Geschwindigkeitsmesswert als 1 km/h aufgrund dieses zusätzlichen Fehlers nicht zu erreichen.

Da nach Auskunft des Sachverständigen Dr. L. in einem anderen Verfahren aufgrund des Umstandes, dass aufgrund der systemimmanenten Ungenauigkeit der Entfernungsmessung und aufgrund des Umstandes, dass die Firma Vitronic die Zwischenmesswerte nicht zugänglich macht, im Einzelfall nicht überprüft und gesagt werden kann, ob dieser zusätzliche Messfehler relevant ist, berücksichtigt das Gericht in den Fällen, in denen die nach bisher gültigem Toleranzabzug festgestellte Geschwindigkeit gerade um 1 km/h in der nächst höheren Bußgeldstufe liegt, zugunsten des Betr. eine zusätzliche Toleranz von -1 km/h.'

Die GenStA Karlsruhe hat dazu in ihrer Antragsschrift v. 19.7.2017 zutreffend darauf hingewiesen, dass die Annahme einer Fehlmessung in den Urteilsgründen in einer für das Rechtsbeschwerdegericht nachvollziehbaren Weise dargelegt werden muss, und weiter ausgeführt:

“Solche Anzeichen wurden im konkreten Einzellfall durch das AG Emmendingen nicht dargelegt. Denn alleine die Ausführung, da...

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