1. Die Entscheidung folgt der seitherigen Rechtsprechungslinie des BGH, die für den Beginn des Laufs der Verjährungsfrist von Regressansprüchen allein auf die Kenntnis der Bediensteten der Regressabteilung, nicht dagegen auf die Kenntnis der Bediensteten der Leistungsabteilung abstellt, und auch die Frage verneint, ob die Regressabteilung ohne grobe Fahrlässigkeit von dem Regressanspruch Kenntnis hätte erlangen müssen. Von dieser Rspr. abzuweichen besteht Veranlassung.

2. Angesichts dessen, dass die Kl. den Bediensteten der Leistungsabteilung die Verpflichtung auferlegt hatte, die Schadensakte an die Regressabteilung weiterzuleiten, sofern sich im Rahmen der Schadensbearbeitung Anhaltspunkte für eine schuldhafte Verursachung des Schadens durch Dritte oder die Voraussetzungen eingreifender Gefährdungshaftung ergäbe, wurden die Bediensteten durch die Anordnung zu Wissensvertretern der Kl. hinsichtlich des Regressanspruchs, was eine Zurechnung der Kenntnis nach § 166 BGB begründete. Der im Versicherungsrecht verwandte Begriff des Wissensvertreters (vgl. BGH VersR 1971, 538, 539; OLG Hamm VersR 1995, 1437, 1438; RGRK-Steffen, vor § 164 Rn 19; vgl. auch § 70 VVG) umschreibt die Wissenszurechnung gegenüber dem VN für den Fall, dass der Dritte, der Kenntnis von einem für das Versicherungsverhältnis bedeutsamen Umstand erlangt hatte, von dem VN in nicht ganz untergeordneter Stellung betraut worden ist, rechtserhebliche Tatsachen für ihn zur Kenntnis zu nehmen.

3. Für das allgemeine Zivilrecht wird die Stellung des Wissensvertreters weitergehend umschrieben:

Wissensvertreter ist danach jede Person, die nach der Arbeitsorganisation des Geschäftsherrn dazu berufen ist, als dessen Repräsentant bestimmte Aufgaben in eigener Zuständigkeit wahrzunehmen, die dabei anfallenden Informationen entgegenzunehmen und ggf. weiterzuleiten (vgl. BGHZ 117, 104, 106 ff.; BGHZ 132, 30, 35; Staudinger-Schilken (2001), vor §§ 164 ff. Rn 86; Richardi, AcP 169, 384 ff.). Damit reichte die durch die Verwaltungsanordnung begründete Verpflichtung der Bediensteten der Leistungsabteilung, bei dem "Verdacht" eines Regressanspruchs dies an die Regressabteilung weiterzuleiten, aus, von dem Bestehen einer Eigenschaft als Wissensvertreter auszugehen. Die Zurechnung der danach anzunehmenden Kenntnis der Bediensteten einer anderen "Abteilung" der Kl., der Regressabteilung, nach § 166 BGB scheitert nicht daran, dass § 166 BGB nur eine Wissenszurechnung im Zusammenhang mit der Abgabe und der Entgegennahme von Willenserklärungen regelt (vgl. Waltermann, AcP 192, 181, 187). Inzwischen wird die Zurechnungswirkung des § 166 BGB auch bezüglich nicht rechtsgeschäftlicher Umstände angenommen (vgl. Palandt-Ellenberger, Bürgerliches Gesetzbuch, 71. Aufl., § 166 BGB Rn 6).

Gegen die Zurechnung der Kenntnis oder des Kennenmüssens der Bediensteten der Leistungsabteilung kann auch nicht eingewandt werden, dass damit in die Entscheidungskompetenz und die Zuständigkeitsverteilung zwischen Leistungsabteilung und Regressabteilung eingegriffen wird. Zum einen hat die Kl. selbst durch die von ihr angeordnete Verpflichtung der Leistungsabteilung etwaige Hindernisse in dieser Richtung aufgeholt. Im Übrigen sind Leistungs- und Regressabteilung lediglich Abteilungen derselben Körperschaft, so dass das Abstellen auf getrennte Zuständigkeiten keineswegs zwingend erscheint. Hinzu kommt, dass die bloße Information über Regressansprüche oder deren Kenntniszurechnung schwerlich den Charakter von – ohnehin nicht begründbaren – Eingriffen in einen eigenen Zuständigkeitsbereich der Regressabteilungen haben kann.

4. Dass eine unterbliebene Weiterleitung von Umständen an die Regressabteilung hinsichtlich eines etwaigen Regressanspruchs Grundlage für die Annahme einer grob fahrlässigen Unkenntnis der Regressabteilung ist, ist mit überzeugender Begründung angenommen worden (vgl. OLG Hamm r+s 2011, 225, 227; OLG Saarbrücken, Urt. v. 31.8.2010 – 4 U 550/09; AG Bersenbrück r+s 2009, 482; Grothe, in: MüKo-BGB, 5. Aufl., § 199 Rn 34; Mansell, NJW 2002, 89, 92; Diehl, zfs 2011, 440, 441). Das Verfehlen eines verlässlichen Informationsflusses in einer Behörde mit verschiedenen Abteilungen deutet auf eine grob fahrlässige Unkenntnis des Bestehens eines Regressanspruchs hin, so dass der Lauf der Verjährungsfrist bereits im Jahre 2008 begann. Damit hing die Frage der Verjährung davon ab, welcher Zeitraum zwischen der Kenntnis der Leistungsabteilung von dem schädigenden Ereignis und der ersten verjährungsunterbrechenden Maßnahme der Kl. lag.

RiOLG a.D. Heinz Diehl

zfs 11/2014, S. 616 - 619

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