Der Geschädigte trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die behaupteten Unfallfolgen erstens überhaupt eingetreten sind und zweitens auf dem Unfallereignis beruhen. Dies gilt sowohl für behauptete körperliche wie auch psychische Verletzungen nach einem Verkehrsunfall. Dabei ist es von besonderer Bedeutung, zwischen sog. Primär- und Sekundärverletzungen zu unterscheiden.

I. Primärverletzungen

Primärverletzungen beruhen direkt auf dem Unfallereignis und insoweit muss der Geschädigte den sog. Streng- oder Vollbeweis nach § 286 ZPO führen. Dieser erfordert einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie gänzlich verstummen zu lassen.[2] Insoweit reicht eine erhebliche Wahrscheinlichkeit gerade nicht aus.

Beruft sich der Geschädigte darauf, dass er direkt aufgrund des Unfallereignisses eine psychische Beeinträchtigung erlitten hätte, ist zusätzlich Folgendes zu beachten: Nahezu jeder Verkehrsunfall ist mit mehr oder minder schweren psychischen Beeinträchtigungen verbunden, die sich – je nach Verfassung und Verarbeitungsvermögen des Betroffenen – kurz oder länger zeigen. Die rein psychische Verarbeitung eines Unfallereignisses begründet für sich gesehen noch keinen zu ersetzenden Schaden. Dies selbst dann nicht, wenn sie mit überschaubaren körperlichen Auswirkungen wie Herzklopfen, Schweißausbrüchen oder Schlafstörungen verbunden ist. Dies ändert sich erst dann, wenn die Beeinträchtigung aus medizinischer Sicht einen Krankheitswert erreicht.[3] Derartige pathologisch fassbare Beeinträchtigungen können in der Tat eine Primärverletzung begründen, die allerdings auf dem Unfallereignis beruhen muss.

 
Hinweis

Allein die pauschale Behauptung des Geschädigten, bei einem normalen Unfallereignis ohne erhebliche psychische Vorbelastung oder ein traumatisches Erlebnis habe er psychische Belastungen zu verarbeiten gehabt, genügt mithin nicht zur Annahme eines ersten Verletzungserfolgs im o.g. Sinne.

[2] BGH, Urt. v. 4.11.2003 – VI ZR 28/03 = zfs 2004, 159; BGH, Urt. v. 28.1.2003 – VI ZR 139/02 = zfs 2003, 287; KG, Urt. v. 18.1.2011 – B 2 U 5/10 = NZV 2004, 252.

II. Sekundärverletzungen

Diese hohen Beweisanforderungen gelten aber nur für die Primärverletzung, d.h. für den "ersten Verletzungserfolg".[4] Geht es nur noch darum, ob sich aus ihr Folgeschäden entwickelt haben, kommt dem Geschädigten die Beweiserleichterung des § 287 ZPO zugute. Hierfür genügt es, dass das Auftreten der psychischen Reaktion und Unfallbedingtheit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu bejahen ist, d.h. wahrscheinlicher ist als die Annahme des Gegenteils.[5]

Voraussetzung hierfür ist aber wiederum, dass der Geschädigte überhaupt erst einmal den Eintritt eines körperlichen Primärschadens nach dem Maßstab des § 286 ZPO bewiesen hat. Fehlt es bereits hieran, kann sich denklogisch kein Folgeschaden entwickeln, sondern die psychischen Beeinträchtigungen sind an dem Maßstab des § 286 ZPO zu messen, der einen pathologischen Befund erfordert.

 
Hinweis

Die Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärverletzung bestimmt bei psychischen Beeinträchtigungen mithin sowohl die Anforderungen an den Verletzungserfolg als auch den Beweismaßstab und ist mithin von ganz entscheidender Bedeutung. Auch ist darauf zu achten, dass die Anforderungen an den Wahrscheinlichkeitsgrad ggf. dem einzuschaltenden Sachverständigen auch bekannt gegeben werden.

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