[…] II. Die Beschwerde der Beschuldigten ist zulässig und begründet.

Aus Sicht der Kammer besteht kein dringender Tatverdacht dahingehend, dass die Beschuldigte den Unfall unmittelbar wahrnahm. Es erscheint nachvollziehbar, dass sie inmitten des starken Verkehrs und mit einem Beifahrer im Fahrzeug nicht bemerkt haben könnte, dass ihr sehr langer Anhänger ein geparktes Fahrzeug streifte. Auch wenn der Fahrer des ihr entgegenkommenden Taxis ein Geräusch wahrnahm, muss dies nicht auch auf die Beschuldigte zutreffen. So könnte der Taxifahrer mit offenem Fenster gefahren sein, die Beschuldigte aber nicht.

Soweit die Beschuldigte von dem Zeugen auf den Unfall angesprochen wurde, kann dies geschehen sein, nachdem sie sich bereits vom Unfallort entfernt hatte. Das Entfernen nicht vom Unfallort selbst, sondern von einem anderen Ort, an welchem der Täter erstmals von dem Unfall erfuhr, erfüllt nicht den Tatbestand des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB (BGH NStZ 2011, 209). Wenn die Beschuldigte, ihrer Einlassung entsprechend, die Straße bis zum Ende fuhr, um dort zu wenden, entfernte sie sich laut "Google Maps" rund 260 Meter von der Unfallstelle, wobei sie sich infolge einer Kurve auch nicht mehr in Sichtweite befand. Hier bestand kein unmittelbarer räumlicher Bezug zu dem Unfallgeschehen mehr. Für feststellungsbereite Personen wäre sie hier nicht als warte- und auskunftspflichtig zu erkennen gewesen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 467 StPO analog.

zfs 10/2022, S. 589

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