BGB § 249 II S. 1

Leitsatz

1. Der Geschädigte, der von der Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB Gebrauch macht und den Schaden nicht im Wege der Reparatur, sondern durch Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs beheben will, leistet bei der Verwertung des beschädigten Fahrzeugs dem Wirtschaftlichkeitsgebot im Allgemeinen Genüge, wenn er die Veräußerung zu einem Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger in einem Gutachten, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (Festhaltung Senatsurt. v. 27.9.2016 – VI ZR 673/15, NJW 2017, 953). (Rn 10)

2. Etwas anderes gilt nach dem Gebot der Wirtschaftlichkeit, wenn es sich beim Geschädigten um ein Unternehmen handelt, welches sich jedenfalls auch mit dem An- und Verkauf von gebrauchten Kfz befasst. In diesem Fall ist dem Geschädigten bei subjektbezogener Schadensbetrachtung die Inanspruchnahme des Restwertmarktes im Internet und die Berücksichtigung dort abgegebener Kaufangebote zuzumuten. (Rn 15)

BGH, Urt. v. 25.6.2019 – VI ZR 358/18

Sachverhalt

Die klagende Betreiberin eines Autohauses nimmt die Bekl. auf restlichen Schadensersatz in Anspruch. Der Pkw der Kl. wurde bei einem Verkehrsunfall beschädigt. Die beklagte Haftpflichtversicherung des Unfallgegners ist in voller Höhe dem Grunde nach eintrittspflichtig. In dem von der Kl. eingeholten außergerichtlichen Schadensgutachten schätzte der Gutachter den Restwert des Kfz unter Berücksichtigung von Angeboten regionaler Anbieter. Er ermittelte einen Restwert von 9.500 EUR brutto. Das teilte die Kl. der Bekl. mit. Die Bekl. legte der Kl. daraufhin ein Restwertangebot eines mehrere hundert Kilometer entfernten Unternehmens über 17.030 EUR brutto vor und rechnete auf dieser Grundlage ab. Die Kl. veräußerte das Fahrzeug zu dem im Schadensgutachten ausgewiesenen Preis und machte mit der Klage die Verurteilung der Bekl. zu dem Differenzbetrag zwischen dem von der Bekl. angesetzten Restwert und dem tatsächlich erzielten Verkaufserlös geltend.

Das LG hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung hatte keinen Erfolg. Die zugelasssene Revision der Bekl. wurde zurückgewiesen.

2 Aus den Gründen:

"… [4] Das BG ist der Auffassung, die Kl. könne der Schadensabrechnung den im Schadensgutachten ihres Sachverständigen ausgewiesenen Restwert von 9.500 EUR zugrunde legen."

[5] Nach der Rechtsprechung des BGH leiste der Geschädigte dem Gebot der Wirtschaftlichkeit im Allgemeinen genüge, wenn er die Veräußerung des Fahrzeugs zu dem Preis vornehme, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem regionalen Markt ermittelt habe. Dies gelte auch dann, wenn es sich beim Geschädigten um ein Unternehmen handele, welches sich mit dem An- und Verkauf von (auch gebrauchten) Kfz befasse und damit im Hinblick auf die Bewertung der konkreten Preissituation eine höhere Kompetenz als eine geschädigte Privatperson innehaben dürfte. Denn diese vermeintlich höhere Fachkompetenz sei kein zulässiger Anknüpfungspunkt dafür, dem Geschädigten im Rahmen von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB eine weitergehende Pflicht zur Recherche und Preisermittlung bei der Verwertung des Fahrzeugs aufzuerlegen. Da die Preisermittlung auch im Falle des geschädigten "Otto Normalverbrauchers" nicht durch den Geschädigten selbst, sondern durch den fachkundigen Sachverständigen erfolge, sei nicht erkennbar, warum erhöhte Sachkunde des Geschädigten zu einem anderen Prüfungsmaßstab führen sollte. Darüber hinaus sei auch zweifelhaft, ob die Kl. als im Autohandel gewerblich tätiges Unternehmen tatsächlich über eine solche, dem "Otto Normalverbraucher" fehlende, Fachkunde verfüge. Denn die Recherche im Internet sei einer Vielzahl von Privatpersonen in gleicher Weise möglich; sie könne in jedem Fall – bei entsprechendem Auftrag durch den privaten Geschädigten – ohne weiteres durch den beauftragten Sachverständigen durchgeführt und der Restwertermittlung zugrunde gelegt werden. Gerade eine dahingehende Pflicht werde in der Rechtsprechung des BGH jedoch abgelehnt, so dass es widersprüchlich sei, sie von einem im Kfz-Handel tätigen oder erfahrenen Geschädigten zu fordern.

[6] Zwar habe der erkennende Senat seine Auffassung zuletzt (Urt. v. 27.9.2016 – VI ZR 673/15, NJW 2017, 953) vorrangig mit der Erwägung begründet, es müsse einem Geschädigten möglich sein, das Fahrzeug einer ihm vertrauten Vertragswerkstatt oder einem angesehenen Gebrauchtwagenhändler bei dem Erwerb eines Ersatzwagens in Zahlung zu geben. Auch sei im Streitfall eine solche Inzahlunggabe von Seiten der Kl. nicht erfolgt. Doch ergebe sich aus der genannten Entscheidung, dass es auf die Abwicklung des Schadens im konkreten Fall nicht ankomme.

[7] Die Kl. sei auch nicht gehalten gewesen, mit der Verwertung des Unfallfahrzeugs zuzuwarten, bis ihr von Seiten der Bekl. ein höheres Angebot vorgelegt worden wäre. Jedenfalls vor dem Hintergrund der erfolgten Kenntnisgabe des ermittelten Restwerts sei es Aufgabe der Bekl. gewesen, rechtzeitig an die Kl. heranzutreten und ihr vermeint...

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