“… Dem Kl. steht die geltend gemachte Unfallrente gem. § 1 Abs. 1 S. 2 VVG a.F., Nr. 1, 2.1 AUB ab September 2005 zu, allerdings nur i.H.v. monatlich 331,58 EUR. …

1. Der Versicherungsfall Unfall ist am 31.8.2005 eingetreten. Ein Unfall liegt gem. Nr. 1.3 AUB vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass der Kl. am 31.8.2005 gestürzt ist und dabei einen Bruch des Oberschenkelknochens erlitten hat (wird ausgeführt).

3. Der Versicherungsschutz war zum Unfallzeitpunkt nicht bereits gem. Nr. 4.2 S. 1 AUB erloschen. Nach dieser Vorschrift erlischt der Versicherungsschutz, sobald der Versicherte i.S.v. Nr. 4.1 nicht mehr versicherbar ist. Gem. Nr. 4.1 AUB sind dauernd pflegebedürftige Personen sowie Geisteskranke nicht versicherbar (S. 1); pflegebedürftig ist, wer für die Verrichtungen des täglichen Lebens überwiegend fremder Hilfe bedarf (S. 2).

a) Das Gericht hält die Regelung, soweit sie hier von Interesse ist – nämlich soweit sie sich darauf bezieht, dass dauernd pflegebedürftige Personen nicht versicherbar sind –, für wirksam. Sie verstößt insoweit nicht gegen § 34a VVG a.F.

aa) Gem. § 34a S. 1 VVG a.F. kann von den §§ 16 bis 29a VVG a.F. nicht durch eine Vereinbarung zu Lasten des VN abgewichen werden. § 28 VVG a.F. regelt die Leistungsfreiheit des VR im Fall einer Erhöhung der Gefahr unabhängig vom Willen des VN; sie setzt danach grds. voraus, dass der VN von der Gefahrerhöhung Kenntnis erlangt hat und der Versicherungsfall später als einen Monat nach dem Zeitpunkt eintritt, in welchem dem VR die nach Kenntniserlangung erforderliche Anzeige der Gefahrerhöhung hätte zugehen müssen (§§ 27, 28 Abs. 1 VVG a.F.). Die Leistungspflicht bleibt bestehen, wenn der VR trotz der Gefahrerhöhung die Kündigung des Vertrags unterlässt oder wenn die Gefahrerhöhung keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls oder den Umfang der Leistung des VR gehabt hat (§ 28 Abs. 2 VVG a.F.).

Sollte Nr. 4 AUB Fälle der Gefahrerhöhung regeln, wäre die Bestimmung demzufolge unwirksam. Denn danach erlischt der Versicherungsschutz automatisch, sobald der Versicherte dauernd pflegebedürftig oder geisteskrank wird. Die Leistungsfreiheit hängt mithin nicht von der Kenntnis des VN vom Eintritt der Umstände ab, von deren Anzeige beim VR, von dessen Verhalten, nämlich der Kündigung, oder von der Kausalität der Umstände für den Eintritt des Versicherungsfalls oder dem Umfang der Leistungspflicht des VR. Da die Leistungsfreiheit mithin an geringere Voraussetzungen geknüpft ist als sie die Leistungsfreiheit wegen ungewollter Gefahrerhöhung erfordert, weicht die Regelung zu Lasten des VN von §§ 27 f. VVG a.F. ab.

Demgegenüber wäre Nr. 4 AUB wirksam, wenn sie nicht Fälle der Gefahrerhöhung betrifft, sondern den Wegfall des versicherten Interesses. Denn der Wegfall des versicherten Interesses ist nicht in §§ 16 ff. VVG a.F. geregelt, sondern in § 68 VVG a.F., von dem die Bestimmung nicht zu Lasten des VN abweicht. Die Wirksamkeit von Nr. 4 AUB hängt mithin davon ab, ob die Klausel Fälle der Gefahrerhöhung regelt oder Fälle des Wegfalls des versicherten Interesses (vgl. BGH NJW-RR 1989, 604, unter 1.).

bb) Nach der Entstehungsgeschichte der Versicherungsbedingung handelt es sich – soweit die dauernde Pflegebedürftigkeit in Rede steht – um eine Regelung des Wegfalls des versicherten Interesses. Nach früheren Bedingungswerken setzte die Invalidität eine dauernde Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit voraus (§ 8 Ziff. II. Abs. 1 AUB 61). Die Versicherungsfähigkeit entfiel, wenn der Versicherte dauernd vollständig arbeitsunfähig wurde (§ 5 AUB 61). Dabei handelte es sich deutlich erkennbar um einen Regelung des Wegfalls des versicherten Interesses; wer bereits dauernd arbeitsunfähig ist, kann dies nicht mehr durch einen Unfall werden … Nachdem die Invalidität nicht mehr anhand der Arbeitsfähigkeit zu bestimmen war, sondern anhand der allgemeinen körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit, musste auch die Versicherbarkeit neu geregelt werden. Dabei wurde auf den Begriff der dauernden Pflegebedürftigkeit abgestellt (vgl. Grimm, VW 1988, 132 ff., unter III. 7.). Wie § 5 AUB 61 dient Nr. 4 AUB indes dem Schutz des VN davor, Prämien für eine Versicherung zahlen zu müssen, an der er kein Interesse mehr hat. Wer dauernd pflegebedürftig ist, wird trotz Beitragszahlung keinen sinnvollen Versicherungsschutz mehr erhalten, weil die Leistungen wegen der Vorerkrankung weitgehend (hier gem. Nr. 3 AUB) zu kürzen sind …

cc) Auf die Entstehungsgeschichte kommt es allerdings für die Auslegung der Bestimmung nicht an. AVB sind so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher VN, der keine versicherungsrechtlichen Spezialkenntnisse besitzt, bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss (BGH NJW 1993, 2369, unter III. 1. b). Einem solchen VN ist die Entstehungsge...

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