1) Die Anhörung der Partei soll nach dem Wortlaut des § 141 ZPO der Aufklärung des Sachverhalts, damit der Beseitigung von Unklarheiten des Sachverhalts und der Füllung von Vortragslücken dienen (vgl. BGH MDR 1967, 634). Dass sie nicht als Sonderfall der Parteivernehmung verstanden wird, insbesondere ein Frage- und Vorhalterecht des Gegners nicht besteht (vgl. Zöller/Greger "ZPO", 31. Aufl., § 141 νRdn 1), hindert nicht, dass die Anhörung als Erscheinungsform der materiellen Prozessleitung nach § 139 ZPO deutliche Auswirkungen auf die Beweiswürdigung durch die Feststellung des Sachverhaltes hat, die Funktion eines Beweismittels erlangt hat (vgl. Meyke MDR 1987, 358; Schöpflin NJW 1996, 2134 Grundlage für diese Erweiterung der Möglichkeiten der Parteianhörung in Richtung auf eine Wirkung vergleichbar ein er Parteianhörung Bestandteil des Inhalts der Verhandlung sind, die neben dem Ergebnis der Beweisaufnahme Gegenstand der Beweiswürdigung sind (§ 286 Abs. 1 ZPO). Da auch eine Beweisregel nicht besteht, wonach durch formelle Beweisaufnahme zu gewinnenden Feststellungen der Vorzug vor Angaben in der persönlichen Anhörung zu geben ist (vbgl. Foerste NJW 2001, 321 ff), die Beweiswürdigung ohne Bindung an allgemeine Beweisregeln stattfindet, kann nach den Besonderheiten des Einzelfalles dem Ergebnis der Parteianhörung der Vorzug vor etwaigen, durch formelle Beweisaufnahme gewonnen Beweisergebnissen zugebilligt werden (vgl. BGH LM § 286 ZPO Nr. 4). Verfehlt wäre es allerdings, nach einer solch überzeugenden Parteianhörung auf eine Beweisaufnahme zum gleichen Beweisthema zu verzichten. Darin läge ein Verstoß gegen das Verbot der Beweisantizipation. Die Vorwegnahme einer Würdigung eines noch nicht erhobenen Beweises mit der Begründung, die Parteianhörung habe die für ein Urteil notwendige Gewissheit vom Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Tatsache ergeben, ist unzulässig (vgl. BGH NJW 1970, 946 (950); Schneider MDR 1969, 268). Zusätzlich ist der unzulässige Verzicht auf die Beweisaufnahme wegen der angeblich überzeugenden Parteianhörung ein Nichtausschöpfen eines angebotenen Beweises und damit eine Verletzung des Verfassungsgebotes des rechtlichen Gehörs (vgl. BGH NJW 192, 1768). Ursprünglich hatte der BGH nach einer offensichtlich überzeugenden Anhörung eine anschließende formelle Beweisaufnahme für entbehrlich gehalten (vgl. BGH NJW 1982, 9409; diese Auffassung aber später aufgegeben (vgl. BGH NJW 1997, 1988; zustimmend Oberheim, "Erfolgreiche Taktik im Zivilprozess", 5. Aufl., Rn 1346).

2) Obwohl Grundlage für die Anhörung der Partei nur die Ausräumung von Unklarheiten des Parteivortrages und die Füllung von dessen Lücken sein soll (vgl. BGH MDR 1967, 834) wird häufig damit auch die Erwartung verbunden, dass damit auch ein Vergleichsabschluss durch Einwirken auf die anwesende Partei erleichtert werde. Dieses oft nicht offen ausgesprochene Ziel lässt sich dadurch belegen, dass in der Sitzungsniederschrift Fragen an die Partei nicht dokumentiert sind.

Aus der Sicht der Partei ist die beantragte Anhörung oft die Reaktion auf eine bestehende Beweisnot. Der Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit, der sich aus dem Grundrecht auf rechtliches Gehör ableitet, verpflichtet das Gericht jedenfalls., der sich in Beweisnot befindlichen Partei die Möglichkeit einzuräumen, ihre Wahrnehmungen zu präsentieren (vgl. BVerfG NJW 2008, 2170; BGH NJW 2013, 2601; KG zfs 2018, 208 m.w.N.). Allerdings ist einem solchen Antrag erst dann stattzugeben, wenn zuvor alle Zeugen vernommen worden sind (arg. § 447 ZPO, KG a.a.O. Rdn 19).

Einen breiten Anwendungsbereich zur Bewältigung der Beweisnot durch Anhörung einer Partei gem. § 141 ZPO hat die Rechtsprechung zum Nachweis des äußeren Bildes der Entwendung in der Kfz-Kaskoversicherung begründet (vgl. BGH VersR 1997, 733).

Nach einer Untersuchung eines Senates des OLG Celle soll die persönliche Anhörung der Parteien in etwa der Hälfte der Fälle Abweichungen zu dem bisher schriftlich Vorgetragenen ergeben haben (vgl. Würfel MDR 2018, 1213; Oberheim a.a.O. Rdn 1350).

3) Trotz dieser Chance der Anhörung sind die Fälle nicht selten, dass die anzuhörende Partei nicht im Termin erscheint. Obwohl eine Einlassungspflicht nicht besteht (vgl. Prütting/Gehrlein, "ZPO", 3. Aufl., § 141 Rdn 10); damit bei heiklen Fragen des Gerichts die Möglichkeit der Nichtbeantwortung besteht, werden häufig Zweifel bestehen, ob die Partei die Anhörungssituation bewältigen wird oder seiner Sache schadet. Sprachliche Unzulänglichkeiten, mangelnde Präsenz und offene Auseinandersetzungen mit dem ihn befragenden Gericht, können zu einer fatalen Prozesssituation führen. Rät der Prozessbevollmächtigte die Partei dazu, nicht zum Termin zu erscheinen, besteht für die "Ungehorsame" Partei jedenfalls dann kein Risiko mit einem Ordnungsgeldbeschluss nach § 141 Abs. 3 ZPO überzogen zu werden, wenn ein vollständig instruierter Vertreter erscheint.

Wie sich der in § 141 ZPO aufgeführten Möglichkeit entnehmen lässt, sanktioniert die Bestim...

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