VVG a.F. § 5a
Leitsatz
Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Tatgericht die Möglichkeit der Ausübung des Widerspruchsrechts nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. versagt, wenn – bei gleichzeitiger Übersendung von und Hinweis auf Versicherungsschein, Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen – in der im Policenbegleitschreiben enthaltenen Widerspruchsbelehrung auf den "Zugang dieses Schreibens" als den Umstand verwiesen wird, der den Lauf der Widerspruchsfrist auslöst.
BGH, Urt. v. 17.1.2024 – IV ZR 19/23
1 Sachverhalt
Die Versicherungsnehmerin unterhielt bei der Beklagten zwei Rentenversicherungsverträge; die Verträge wurden nach dem sogenannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung abgeschlossen. In zwei Begleitschreiben vom 31.1.2003 heißt es auf der jeweils ersten von zwei Seiten:
"Zusammen mit diesem Schreiben erhalten Sie Ihren Versicherungsschein, die allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformationen. Bitte nehmen Sie sich die Zeit zum Durchlesen und Überprüfen der Angaben im Versicherungsschein auf Vollständigkeit und bewahren Sie die Unterlagen bitte sorgfältig auf."
Auf der zweiten Seite ist in den Begleitschreiben folgende – drucktechnisch hinreichend hervorgehobene – Belehrung enthalten:
"Sie können diesem Versicherungsvertrag innerhalb von 14 Tagen nach Zugang dieses Schreibens widersprechen. Zur Wahrung dieser Frist genügt die rechtzeitige Absendung einer Widerspruchserklärung in Textform (schriftlich oder in anderer lesbarer Form). Selbstverständlich werden wir Ihnen in diesem Falle bereits gezahlte Beiträge zurückerstatten."
Mit den Begleitschreiben wurden der Versicherungsnehmerin jeweils der Versicherungsschein, die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformationen übersandt. Nachdem die Versicherungsnehmerin ihre Ansprüche aus beiden Versicherungsverträgen an eine GmbH abgetreten hatte, kündigte diese Gesellschaft im Jahr 2015 die Verträge und erhielt anschließend die von der Beklagten errechneten Rückkaufswerte ausgezahlt. Mit Schreiben vom 2.9.2019 zeigte die Kl. die weitere Abtretung etwaig noch bestehender Rechte aus den beiden Versicherungsverträgen an sich an und erklärte den Widerspruch.
Mit der Klage verlangt die Kl. im Wege der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung Rückzahlung der eingezahlten Prämien zuzüglich gezogener Nutzungen abzüglich der Risikokosten und bereits ausgezahlter Rückkaufswerte.
2 Aus den Gründen: …
[9] Das BG hat rechtsfehlerfrei angenommen, der Kl. stehe kein bereicherungsrechtlicher Zahlungsanspruch zu, weil die Versicherungsnehmerin die Prämienzahlungen hinsichtlich beider Versicherungsverträge nicht ohne Rechtsgrund vorgenommen hat. Die Kl. konnte den Widerspruch nicht noch im Jahr 2019 wirksam ausüben. Auf die von der Revisionserwiderung aufgeworfene Frage, ob die Kl. aktivlegitimiert ist, kommt es hier deshalb nicht entscheidungserheblich an.
[10] 1. Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des BG enthielt die nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. erforderliche Widerspruchsbelehrung zwar jeweils eine unrichtige Information über die Voraussetzungen des Beginns der Frist für den Widerspruch, indem dort auf den Zugang des Policenbegleitschreibens als fristauslösenden Umstand verwiesen wurde.
[11] 2. Die Annahme des BG, aus dieser Unrichtigkeit der der Versicherungsnehmerin erteilten Informationen über den Beginn der Widerspruchsfrist folge hier allerdings nicht, dass die Kl. den im Jahr 2003 geschlossenen Verträgen noch im Jahr 2019 widersprechen könne, hält aber revisionsrechtlicher Prüfung stand.
[12] a) Im Einklang mit der neueren Senatsrechtsprechung hat das BG bei der Beantwortung der Frage, ob die Kl. das Widerrufsrecht noch wirksam ausüben kann, entscheidend darauf abgestellt, ob der Versicherungsnehmerin die Möglichkeit genommen wurde, ihr Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen auszuüben wie bei zutreffender Belehrung (vgl. Senat VersR 2023, 631; BGHZ 236, 163 Rn 16).
[13] b) Keinen Rechtsfehler lässt auch die Annahme des BG erkennen, der hier zu beurteilende Belehrungsfehler habe der Versicherungsnehmerin diese Möglichkeit nicht genommen. Die Bewertung des Tatrichters, ob ein nur geringfügiger Belehrungsfehler vorliegt, kann in der Revisionsinstanz generell nur daraufhin überprüft werden, ob sie auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht, alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder von einem falschen Wertungsmaßstab ausgeht (…).
[14] Das BG hat zur Begründung seiner Entscheidung zu Recht maßgeblich darauf abgestellt, dass trotz des Belehrungsmangels für die Versicherungsnehmerin eine richtige Berechnung der Frist ohne weiteres möglich gewesen sei.
Auf der ersten Seite des nur zwei Seiten umfassenden Begleitschreibens wird hier ausdrücklich auf die Übersendung von Versicherungsschein, Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen hingewiesen und der Beginn der Widerspruchsfrist dann an den "Zugang dieses Schre...