Bei der Einholung eines anthropologischen Identitätsgutachtens oder morphologischen Bildgutachtens müssen Gericht und Verteidigung vorab über die Kostenproblematik nachdenken und ggf. aufklären. Zu denken ist deshalb zunächst an ein preiswerteres Vorgutachten.

Des Weiteren muss den Prozessbeteiligten die verschiedene Sicht von Richter und Gutachter klar sein: der Richter erkennt wieder und der Gutachter identifiziert. Das kann zum gleichen Ergebnis führen, muss aber nicht, sodass ein Richter bei entsprechend vager Aussage des Gutachters durchaus mit entsprechender Begründung von einer Wiedererkennung ausgehen kann (vgl. auch Bellmann/Brückner in: Burhoff/Neidel/Grün, Messungen im Straßenverkehr, 2. Aufl., 2010, S. 407).

Darüber hinaus müssen Gericht und Verteidigung die Streitpunkte einer solchen Begutachtung kennen. Ein Vergleichsgutachten führt zunächst zu einer subjektiven Einschätzung einer Wahrscheinlichkeit anhand von objektiven Kriterien, die bei dieser Gutachtensart eben nicht standardisiert ist. Schon über die Einstufung der Wahrscheinlichkeit gibt es verschiedene Ansichten (vgl. Schott, NZV 2011, 169; Krumm, NZV 2012, 267; Rösing/Quarch/Danner, NStZ 2012, 548). Dazu gibt es Dissonanz über Details der Ergebnisfindung. Denn es gibt Gerichte, die neben der Analyse von Fahrerfoto und Betroffenem bzw. angegebenem Alternativfahrer und der Auflistung und Bewertung der gefundenen körperlichen Merkmale auch noch eine Angabe zur Verteilung der Merkmale in der Bevölkerung haben möchten. Dies ist nach Ansicht des OLG Celle und auch meines Erachtens aber sowohl aus technischen Gründen als auch aus der Art des Gutachtens heraus nicht erforderlich. Zum einen ist die Herkunft der Daten zweifelhaft: woher sollen diese Daten stammen? Einige Studien stammen z.B. aus den 1930er Jahren oder sind regional höchst begrenzt und eine aktuelle statistische Erfassung der Bevölkerung nach Körpermerkmalen widerspricht mit Sicherheit der Rspr. des BVerfG. Zum anderen ist die Begutachtung die individuelle Einschätzung z.B. eines geschulten Rechtsmediziners, die nicht von einer bestimmten Anzahl von Merkmalsübereinstimmung wie etwa bei daktyloskopischen Gutachten abhängig ist oder sich gar wie eine DNS-Analyse berechnen lässt (detailliert bei Rösing/Quarch/Danner, NStZ 2012, 548; Bellmann/Brückner in: Burhoff/Neidel/Grün, Messungen im Straßenverkehr, 2. Aufl., 2010, S. 450 ff.). Auch der BGH sieht wie vom OLG Celle zitiert die Merkmalsverteilung in der Bevölkerung als nicht aussagekräftig an.

Zu beachten ist schließlich, dass auch der (angeblich) fahrende Blutsverwandte keinen Erfolg für Freispruch oder Einstellung garantiert: Dies kann durch einen Gutachter (bei Anwesenheit des Verwandten in der Hauptverhandlung) ggf. entkräftet werden, trotz der vorhandenen genetisch bedingten ähnlichen Merkmalsausprägungen (Bellmann/Brückner in: Burhoff/Neidel/Grün, Messungen im Straßenverkehr, 2. Aufl., 2010, S. 428 und 459; Schott, NZV 2011, 169).

RiAG Dr. Benjamin Krenberger, Landstuhl

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