"… II. Die gem. § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde des Betr. hat auf die Sachrüge hin – zumindest vorläufig – Erfolg, weil sich die Urteilsgründe als lückenhaft erweisen. Die Urteilsfeststellungen vermögen die Annahme eines qualifizierten Rotlichtverstoßes nach Nr. 132.3 BKat, d.h. Fahren bei einer länger als eine Sekunde andauernden Rotlichtphase, nicht zu belegen. Das angefochtene Urteil enthält keine den Mindestanforderungen der §§ 261, 267 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG genügende Beweiswürdigung."

1. Das AG trifft im Rahmen der Beweiswürdigung u.a. folgende Feststellungen:

Zitat

“So bekundete der Zeuge R., er habe mit seinem Kollegen Z. an der Abzweigung der E.-Straße Rotlichtüberwachungen durchgeführt. […] Der Zeuge bekundete ferner, er sei auf dem Fahrersitz gewesen. Von dieser Position aus habe er gute Sicht auf die Ampel und die Haltelinie gehabt. Das Gelblicht der für die Linksabbieger geltenden Lichtzeichenanlage dauere 3 Sekunden. Das Fahrzeug des Betr. habe die Haltelinie überfahren, als die Lichtzeichenanlage bereits 1,49 Sekunden Rotlicht gezeigt habe. Er habe die Zeit mit der nicht geeichten Stoppuhr seines Handys gemessen und dazu die Stoppuhr gedrückt, nachdem die Ampel Rotlicht gezeigt hätte, und die Stoppuhr wieder gedrückt, als der Vorderreifen über die Haltelinie gefahren sei. Der Betr. sei auf der Hauptstraße gefahren und ohne anzuhalten in einem Zug nach links abgebogen. […] Richtig ist jedoch, dass es anders als bei einer automatischen Messung aus Reaktionsverzögerungen und Konzentrationsfehlern des messenden Polizeibeamten bei der Beobachtung des Beginns der Rotlichtphase und der ersten Bedienung der Stoppuhr, der Beobachtung des Überfahrens der Haltelinie und der zweiten Bedienung der Stoppuhr zu möglichen Messfehlern kommen kann. Daher ist zugunsten des Betr. ein Toleranzabzug von 0,3 Sekunden der gemessenen Zeit vorzunehmen (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.7.2000 – 2b Ss (OWi) 132/00-(OWi) 67/00 I), so dass eine Rotphase von 1,19 Sekunden verbleibt.'

2. Auch wenn im Bußgeldverfahren an die Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe keine übertrieben hohen Anforderungen zu stellen sind und sich der Begründungsaufwand auf das rechtsstaatlich unverzichtbare Maß beschränken kann, so kann für deren Inhalt grds. nichts anderes als im Strafverfahren gelten. Denn auch im Bußgeldverfahren sind die Urteilsgründe die alleinige Grundlage für die rechtliche Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin. Sie müssen daher so beschaffen sein, dass dem Rechtsbeschwerdegericht die Nachprüfung einer richtigen Rechtsanwendung ermöglicht wird. Dies gilt auch für die Beweiswürdigung, weil das Rechtsbeschwerdegericht nur so in den Stand versetzt wird, die Beweiswürdigung des Tatrichters auf Widersprüche, Unklarheiten, Lücken oder Verstöße gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze zu überprüfen (Göhler/Seitz/Bauer, OWiG, 17. Aufl., § 71 Rn 42, 43 m.w.N.). Zwar muss das Rechtsbeschwerdegericht die subjektive Überzeugung des Tatrichters von dem Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts grds. hinnehmen und ist es ihm verwehrt, seine eigene Überzeugung an die Stelle der tatrichterlichen Überzeugung zu setzen. Allerdings kann und muss vom Rechtsbeschwerdegericht überprüft werden, ob die Überzeugung des Tatrichters in den getroffenen Feststellungen und der ihnen zugrundeliegenden Beweiswürdigung eine ausreichende Grundlage findet. Die Urteilsgründe des Tatgerichts müssen mithin erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und die vom Tatrichter gezogene Schlussfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist, die letztlich nicht mehr als einen Verdacht zu begründen vermag (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschl. v. 22.8.2013 – 1 StR 378/13 = NStZ-RR 2013, 387, 388). Daher müssen die Urteilsgründe, wenn nicht lediglich ein sachlich und rechtlich einfach gelagerter Fall von geringer Bedeutung vorliegt, regelmäßig erkennen lassen, auf welche Tatsachen das Gericht seine Überzeugung gestützt hat. Nur so ist gewährleistet, dass das Rechtsbeschwerdegericht die tatrichterliche Beweiswürdigung auf Rechtsfehler überprüfen kann (KK/Senge, OWiG, 5. Aufl., § 71 Rn 115; Göhler/Seitz/Bauer, a.a.O., Rn 43, 43a jeweils m.w.N.).

3. Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht hinreichend gerecht. Der Beweiswürdigung fehlt hinsichtlich der festgestellten Rotlichtdauer von 1,19 Sekunden nach Toleranzabzug eine tragfähige Grundlage. Die Urteilsgründe ergeben keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Zeitmessung anhand der Stoppuhr des Mobiltelefons zuverlässig war.

a) Zwar ist die Messung nicht schon deshalb unverwertbar, weil die verwendete Stoppuhr des Mobiltelefons nicht geeicht war (vgl. KG NZV 2004, 652; OLG Celle NZV 1996, 419, und OLG Karlsruhe, Beschl. v. 14.6.1993 – 2 Ss 72/93). Die Eichpflicht garantiert eine besondere qualitative Sicherheit der Messung. Diesem Zweck ...

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